Black Box: Thriller (German Edition)
schreien begann: »Sind Sie verrückt geworden? Was machen Sie da?«
Holodnak sagte, sie hätte die Situation bravourös gemeistert, und das schien Madeline wieder aufzubauen. Außerdem versicherte er ihr noch einmal, wie beeindruckt er von ihren Schießkünsten und ihrer raschen Entscheidungsfindung war.
Bosch und Maddie bedankten sich bei Holodnak für das Training und gingen. Sie überquerten gerade das Basketballfeld, als ihnen Holodnak aus der Tür des Simulatorraums nachrief: »Michael Formanek.
The Rub and Spare Change.
«
Dazu deutete er mit einer »Hab ich dich erwischt«-Geste auf Bosch. Maddie lachte, obwohl sie nicht wusste, dass Holodnak über Jazz redete. Bosch hob kapitulierend die Hände.
»Ein Bassist aus San Francisco«, sagte Holodnak. »Klasse Inside-Outside-Improvisationen. Du musst wirklich deinen Horizont erweitern, Harry. Nicht jeder, den zu hören sich lohnt, ist tot. Madeline, wenn dein Dad nächstes Mal Geburtstag hat, kommst du vorher zu mir.«
Bosch machte eine abwinkende Handbewegung und drehte sich wieder um.
25
Z um Mittagessen gingen sie in den Academy Grill, wo die Wände mit LAPD -Erinnerungsstücken dekoriert und die Sandwiches nach ehemaligen Polizeichefs und berühmten Polizisten – realen wie imaginären – benannt waren.
Kurz nachdem Maddie einen Bratton Burger und Bosch einen Joe Friday bestellt hatten, ließ die besänftigende Wirkung des Humors, den Holodnak am Ende des Schießtrainings injiziert hatte, schlagartig nach. Boschs Tochter ließ plötzlich den Kopf hängen und wurde sehr still.
»Nimm’s nicht so schwer, Schatz«, versuchte Bosch, sie zu trösten. »War doch nur eine Simulation. Alles in allem warst du extrem gut. Du hast doch gehört, was Bill gesagt hat. Man hat drei Sekunden Zeit, um eine Entscheidung zu treffen und zu schießen … ich finde, du hast dich wacker geschlagen.«
»Dad, ich habe eine Stewardess erschossen.«
»Aber du hast eine Lehrerin gerettet. Außerdem war es keine reale Situation. Du hast einen Schuss abgegeben, den du im richtigen Leben wahrscheinlich nie abgegeben hättest. Beim Simulator hat man immer das Gefühl, ganz schnell reagieren zu müssen. Aber wenn man im richtigen Leben in so eine Situation kommt, scheint alles viel langsamer abzulaufen. Da sieht man alles – wie soll ich sagen? – klarer.«
Das schien keine Wirkung auf sie zu haben. Er versuchte es noch einmal.
»Außerdem war die Pistole wahrscheinlich nicht optimal justiert.«
»Vielen Dank, Dad. Das heißt, alle Schüsse, mit denen ich getroffen habe, sind in Wirklichkeit danebengegangen, weil die Pistole nicht richtig justiert war.«
»Nein, damit …«
»Ich geh mir mal die Hände waschen.«
Sie rutschte hastig von ihrem Platz und entfernte sich in Richtung Toilette. Bosch wurde sich der Idiotie bewusst, einen schlechten Schuss damit zu rechtfertigen, dass die Pistole nicht richtig auf den Bildschirm eingestellt gewesen war.
Während er auf Madeline wartete, schaute er auf eine gerahmte Titelseite der
Los Angeles Times,
die über ihrem Tisch an der Wand hing. Die ganze obere Hälfte der Seite aus dem Jahr 1974 befasste sich mit dem Polizeieinsatz gegen die Symbionese Liberation Army in der 54 th, Ecke Compton, an dem Bosch als junger Streifenpolizist teilgenommen hatte. Während des tödlichen Patts selbst war er zur Verkehrs- und Schaulustigenkontrolle eingeteilt gewesen, und am Tag danach hatte er auf der Straße Wache gehalten, als ein Team die Trümmer des ausgebrannten Hauses nach den sterblichen Überresten Patty Hearsts durchsuchte.
Zu ihrem Glück war sie nicht dort gewesen.
Boschs Tochter rutschte wieder auf ihren Platz.
»Kommt vielleicht endlich mal unser Essen?«, maulte sie.
»Nur keine Hektik«, sagte Bosch. »Wir haben doch erst vor fünf Minuten bestellt.«
»Warum bist du Polizist geworden, Dad?«
Kurz fühlte sich Bosch von der aus heiterem Himmel kommenden Frage überrumpelt.
»Das hatte alle möglichen Gründe.«
»Wie zum Beispiel?«
Er ließ sich Zeit, um seine Gedanken zu ordnen. Es war schon das zweite Mal in einer Woche, dass sie ihm diese Frage stellte. Er wusste, es war ihr wichtig.
»Die Standardantwort ist, ich wollte schützen und dienen. Aber weil du es bist, die fragt, will ich dir die Wahrheit sagen. Es war nicht, weil ich den Wunsch verspürt habe, zu schützen und zu dienen oder so eine Art Gutmensch im Staatsdienst zu werden. Im Nachhinein betrachtet, wollte ich eigentlich nur mich schützen und
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