Black Box: Thriller (German Edition)
schienen widerzuspiegeln, dass der Junge schon im Leben vergessen worden war.
Bosch nahm die Vase und warf sie auf dem Weg aus dem Friedhof in einen Abfallkorb.
Um elf Uhr traf er mit einer Tüte mit zwei noch warmen Submarine Sandwiches von Giamela’s und einem Becher Soße in der Firearm Analysis Unit ein. Mit Pistol Pete ging er zum Essen in einen Aufenthaltsraum, und nach dem ersten Bissen von seinem Meatball-Sub seufzte Pete – so laut, dass zwei andere Schusswaffentechniker in den Raum kamen, um nachzusehen, was dort los war. Zähneknirschend teilten Sargent und Bosch ihre Sandwiches mit ihnen, und Bosch gewann Freunde fürs Leben.
Als sie nach dem Essen an Sargents Arbeitsplatz zurückkehrten, war die Beretta, die Bosch ihm gebracht hatte, bereits mit der linken Seite nach oben in einen Schraubstock eingespannt, und das Verschlussgehäuse war an der Stelle, an der sich die Seriennummer befunden hatte, mit Stahlwolle poliert worden.
»Es kann losgehen«, sagte Sargent.
Er legte ein Paar dicker Gummihandschuhe und ein Plexiglasvisier an und setzte sich auf den Hocker vor dem Schraubstock. Dann zog er die Lupe an ihrem Arm zu sich heran und schaltete das Licht ein.
Jede legal hergestellte Schusswaffe der Welt hat eine unverwechselbare Seriennummer, mit deren Hilfe sich ihre Besitzer feststellen lassen. Deshalb feilen Leute, die verhindern wollen, dass ihnen eine Waffe zugeordnet werden kann, diese Nummer häufig mit allen möglichen Werkzeugen ab oder versuchen, sie mit Säure wegzuätzen.
Durch den Vorgang, mittels dessen die Seriennummer einer Waffe bei der Herstellung angebracht wird, stehen für die Ermittlungsbehörden die Chancen jedoch relativ gut, die Nummer zu rekonstruieren. Bei dem Arbeitsgang, bei dem die Seriennummer in die Oberfläche der Waffe gestanzt wird, wird auch das Metall unter den Buchstaben und Ziffern gequetscht. Selbst wenn diese also später weggefeilt oder -geätzt werden, bleiben die Kompressionsspuren darunter erhalten. Um die Seriennummer wieder sichtbar zu machen, gibt es verschiedene Methoden. Bei einer davon wird eine Mixtur aus Säuren und Kupfersalzen aufgetragen, die mit dem komprimierten Metall reagiert und die Nummer zum Vorschein bringt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, mit Magneten und Eisenrückständen zu arbeiten.
»Ich fange mal mit Magnaflux an, weil das, wenn es funktioniert, schneller geht und die Waffe nicht beschädigt«, sagte Sargent. »Wir müssen ja auch noch die ballistischen Untersuchungen an unserem Baby hier durchführen, und dafür sollte es möglichst noch funktionieren.«
»Ganz, wie du meinst«, sagte Bosch. »Und was mich angeht, je schneller, desto besser.«
»Dann sehen wir mal, was dabei herauskommt.«
Sargent brachte an der Unterseite der Pistole, direkt unter dem Verschluss, einen großen, runden Magneten an.
»Zuerst magnetisieren wir sie …«
Er nahm eine Spraydose von einem über dem Tisch angebrachten Bord, schüttelte sie und richtete sie auf die Beretta.
»Und jetzt kommt Pistol Petes Spezialrezeptur. Eine Mischung aus Eisen und Öl …«
Bosch beugte sich vor, als Sargent die Waffe besprühte.
»Eisen und Öl?«
»Das Öl ist so zähflüssig, dass sich die magnetisierten Eisenpartikel darin nicht absetzen. Wenn man es auf das Metall sprüht, zieht der Magnet das Eisen an die Oberfläche der Waffe. Wo die Seriennummer eingestanzt wurde, ist das Metall dichter und damit auch die magnetische Anziehungskraft stärker. Deshalb müsste sich das Eisen in Form der Ziffern anordnen. Zumindest theoretisch.«
»Wie lange dauert das?«
»Nicht lange. Wenn es funktioniert, funktioniert es sofort. Wenn nicht, versuchen wir es mit Säure, aber davon wird die Waffe höchstwahrscheinlich beschädigt. Deshalb machen wir das erst, wenn wir mit den ballistischen Untersuchungen fertig sind. Hast du dafür schon jemanden?«
»Bisher noch nicht.«
Mit den ballistischen Untersuchungen meinte Sargent die Analyse des Projektils, die bestätigen würde, dass die Kugel, die Anneke Jespersen getötet hatte, tatsächlich aus der Beretta abgefeuert worden war. Davon war Bosch zwar fest überzeugt, aber ein kriminaltechnischer Nachweis war unerlässlich. Um den Schwung nicht zu verlieren, zäumte Bosch den Gaul ganz bewusst von hinten auf. Er wollte die Seriennummer haben, um klären zu können, wem die Pistole gehört hatte. Ihm war jedoch auch klar, dass er sich in Geduld üben und in der vorgeschriebenen Reihenfolge vorgehen musste,
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