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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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den Holzverkäufer, in sich aufsteigen. Wahrscheinlich ging dieser Quadratschädel mit seinem Sohn auf die Kirmes, um sich Truckwettrennen anzuschauen.
    Einer der Regieassistenten klatschte in die Hände und rief, dass sich die Untoten auf ihre Plätze begeben sollten. Klein-Bob kam zu ihnen herübergetrabt.
    »Mom«, rief er, den Kaugummi in der Backe. »Du hast noch gar nicht erzählt, wie du gestorben bist.« Er deutete auf ihr abgerissenes Ohr.
    »Das kann ich dir sagen«, antwortete Bobby. »Sie ist in einem Einkaufszentrum einem alten Freund begegnet, und sie haben sich unterhalten. Und wenn ich ›unterhalten‹ sage, dann meine ich das auch – stundenlang! Schließlich sagte ihr Freund: ›Hör mal, ich will dir hier nicht das Ohr abkauen.‹ Und deine Mom erwiderte: ›Ach, mach dir darüber mal keine Gedanken‹ …«
    »Oder wie ein weiser Mann einmal gesagt hat: ›Leih mir dein Ohr‹«, sagte Harriet. Dann schlug sie sich gegen die Stirn. »Warum habe ich nur auf ihn gehört?«
     
    Von den dunklen Haaren einmal abgesehen, sah ihm Dean überhaupt nicht ähnlich. Er war so klein! Darauf war Bobby nicht gefasst gewesen. Er war kleiner als Harriet, die selbst kaum größer als einssechzig war. Als sie sich küssten, musste Dean den Hals recken. Er war gedrungen und mit seinen breiten Schultern, der muskulösen Brust und den schmalen Hüften kräftig gebaut. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern in einem grauen Kunststoffrahmen. Die Augen dahinter wirkten schüchtern und hatten die Farbe von poliertem Zinn. Als Harriet sie einander vorstellte, sah Dean Bobby mehrmals flüchtig an und wandte dann wieder den Blick ab. Seinen Augen war das Alter anzusehen, er hatte Lachfalten in den Augenwinkeln. Er war mindestens zehn Jahre älter als Harriet!
    Als Dean Bobbys Namen hörte, rief er: »Ach, der Bobby sind Sie, dieser Spaßmacher. Wissen Sie, dass wir unseren Sohn ihretwegen fast nicht ›Bobby‹ getauft hätten? Mir wurde eingebläut, ich sollte Ihnen erklären, dass der Name meine Idee war, falls wir uns jemals über den Weg laufen. Sie wissen schon, wegen Bobby Doerr. Seit ich alt genug war, um mir vorzustellen, jemals Kinder zu haben, dachte ich mir …«
    »Ich bin auch witzig!«, fiel ihm Klein-Bobby ins Wort.
    Dean packte ihn unter den Achseln und warf ihn in die Luft. »Und ob du das bist!«
    Bobby wusste nicht so genau, ob er mit ihnen zu Mittag essen wollte, aber Harriet hängte sich bei ihm ein und führte ihn durch den Ausgang auf den Parkplatz hinaus. Ihre nackte, warme Schulter schmiegte sich an ihn, also blieb ihm keine andere Wahl.
    Im Lokal bemerkte Bobby zunächst nicht, dass ihn die anderen Gäste anstarrten, bis die Kellnerin zu ihnen trat. Sie war kaum älter als zwanzig, und ihre krause blonde Mähne sah umwerfend aus.
    »Wir sind tot«, erklärte Klein-Bobby.
    »Schon klar«, sagte die junge Frau, nickte und deutete mit ihrem Kugelschreiber auf sie. »Dann kann es dafür nur zwei Gründe geben: Entweder Sie arbeiten bei dem Horrorfilm mit, oder Sie haben das Tagesmenü schon probiert.«
    Dean lachte, ein heiseres, durchdringendes Lachen. Nichts schien einfacher zu sein, als ihn zum Lachen zu bringen! Er lachte über fast alles, was Harriet sagte, und auch über das meiste von dem, was Bobby von sich gab. Manchmal lachte er so laut, dass sich die Leute an den Nachbartischen erschrocken nach ihm umdrehten. Wenn er sich wieder gefangen hatte, entschuldigte er sich und meinte das ganz offensichtlich ernst – sein Gesicht war leicht rot angelaufen, und seine Augen schimmerten feucht. Seit Bobby erfahren hatte, dass Harriet verheiratet war, hatte er unentwegt über die Frage nachgegrübelt: Warum ausgerechnet Dean der Holzhändler? Allmählich dämmerte ihm, wie eine mögliche Antwort darauf lauten konnte: Er war fraglos ein dankbares Publikum.
    »Ich dachte immer, Sie machen Karriere in New York«, sagte Dean. »Warum sind Sie nach Monroeville zurückgekehrt?«
    »Ich hab’s nicht geschafft«, sagte Bobby.
    »Oh – das tut mir leid. Was machen Sie jetzt? Treten Sie hier in der Gegend als Komiker auf?«
    »So könnte man es nennen. Allerdings sagt mein Chef aus irgendeinem abwegigen Grund ›Hilfslehrer‹ dazu.«
    »Ach! Sie unterrichten! Wie gefällt es Ihnen?«
    »Großartig. Ich wollte schon immer beim Theater, beim Film oder an der Highschool arbeiten. Dass ich es jemals so weit bringen würde, in der achten Klasse aushilfsweise Sportunterricht zu geben – für mich ist damit ein

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