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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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glücklich bist.«
    »Ich bin glücklich«, sagte sie, aber ihre Stimme klang dabei eine halbe Oktave zu hoch.
    »Hat er sich hingekniet, als er dir einen Antrag gemacht hat?«
    Harriet nickte und kräuselte argwöhnisch die Lippen.
    »Musstest du ihm hinterher hochhelfen?«, fragte Bobby. Seine Stimme klang schrill, und er dachte: Hör endlich auf. Er kam sich vor wie in einem Zeichentrickfilm – vor seinem geistigen Auge sah er Wile E. Coyote, der vorn an eine Dampflokomotive gebunden war und sich mit den Füßen gegen die Schienen stemmte, um den Zug anzuhalten; von seinen Fersen stieg Rauch auf, die Füße waren angeschwollen und glühend rot.
    »Du dummes Arschloch.«
    »Es tut mir leid.« Er hob abwehrend die Hände und grinste. »Ich mach doch nur Spaß. Ich bin Bobby der Spaßvogel – ich kann einfach nicht anders.« Sie wollte sich von ihm abwenden, zögerte dann aber, als wüsste sie nicht, ob sie ihm das abnehmen sollte oder nicht. Bobby wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Jetzt wissen wir also, was wir tun müssen, um Dean zum Lachen zu bringen. Was tut er denn, um dich zum Lachen zu bringen? Ach ja, er ist nicht witzig. Na, was macht er dann, damit dein Herz schneller schlägt? Außer dich zu küssen, nachdem er das Gebiss auf den Nachttisch gelegt hat.«
    »Bobby, lass mich in Ruhe«, sagte sie. Aber sie machte keine Anstalten, ihn stehen zu lassen. Stattdessen versteifte sie sich, senkte den Kopf und wandte sich von ihm ab.
    »Nein.«
    »Hör auf.«
    »Das kann ich nicht«, sagte er, und plötzlich begriff er, warum er wütend auf sie war. »Wenn er nicht witzig ist, was ist er dann? Ich muss es wissen.«
    »Er ist geduldig.«
    »Geduldig?«, wiederholte Bobby. Er war fassungslos – das hatte er nicht erwartet.
    »Mit mir.«
    »Mit dir«, sagte er.
    »Mit Robert.«
    »Geduldig«, sagte Bobby. Dann konnte er eine ganze Weile nichts mehr sagen, weil er außer Atem war. Plötzlich spürte er, wie sehr ihn die Schminke im Gesicht juckte. Jetzt wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte ihn stehen lassen oder ihm eine geknallt, als er mit seinen dummen Fragen angefangen hatte. Alles, nur nicht diese Antwort: Er ist geduldig. Er schluckte. »Nun, das ist nicht gerade viel.« In dem Bewusstsein, dass er jetzt nicht aufhören konnte, sah er den Zug in den Canyon rasen. Wile E. Coyote fielen vor Angst buchstäblich die Augen aus dem Kopf. »Ich wollte deinen Mann kennenlernen und vor Eifersucht krank werden. Aber ich bin kein Stück eifersüchtig. Ich wollte, dass du dich in jemanden verliebst, der gut aussieht, der kreativ und brillant ist jemand, der Romane schreibt oder Dramen, jemand mit Sinn für Humor und einem dreißig Zentimeter langen Apparat. Nicht ein Kerl mit einem Igelschnitt und einem Holzlager, der glaubt, zu einer erotischen Massage gehört eine Tube Sportsalbe.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Mir war klar, dass du ihn nicht würdest leiden können, aber ich hätte nicht gedacht, dass du so gemein sein könntest.«
    »Ich hab überhaupt nichts gegen ihn. Warum auch? Er hat nichts getan, was jeder andere Kerl an seiner Stelle nicht auch tun würde. Wenn ich achtzig wäre und einen halben Meter groß, dann würde ich mir ein Prachtweib wie dich auch nicht entgehen lassen. Natürlich ist er geduldig. Hoffentlich! Er sollte jeden Abend Gott auf Knien danken und dir die Füße einsalben, dass du dich mit ihm abgibst.«
    »Du hattest deine Chance«, sagte sie. Sie gab sich Mühe, nicht loszuheulen. Ihre Gesichtsmuskeln zuckten, und sie zog eine Grimasse.
    »Es geht nicht darum, ob ich eine Chance hatte«, sagte er. »Es geht darum, ob du eine Chance hattest.«
    Als sie sich dieses Mal von ihm abwandte, hielt er die Klappe. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht. Ihre Schultern bebten, und während sie sich entfernte, stieß sie leise erstickte Laute aus. Er sah ihr nach, wie sie zu der Einfriedung des Springbrunnens, wo sie sich heute Morgen getroffen hatten, hinüberging. Dann musste er an den Jungen denken, und er schaute sich suchend um. Was hatte Klein-Bobby gesehen oder gehört? Aber der Junge rannte durch die Eingangshalle und kickte die Milz vor sich her, die inzwischen voller Staubmäuse war. Zwei andere tote Kinder versuchten, ihm den »Ball« abzunehmen.
    Bobby schaute ihnen eine Weile zu. Ein Pass ging ins Leere, und die Milz schlitterte an ihm vorbei. Er streckte einen Fuß aus, um sie aufzuhalten. Sie gab unter seinem Schuh unangenehm

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