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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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um.
    Seit Februar hatte er nichts mehr geschickt! Es stimmte, das wurde ihm jetzt klar, und ihm wurde ganz schwindlig. Seine Schläfen pochten. Mehr als alles andere wollte er verhindern, dass Linda wegging. Er langte durch das Fenster und bekam einen Ärmel ihres Kleides zu fassen.
    Sie fuhr wieder herum, räusperte sich und spuckte nach ihm. Der Speichel traf ihn über dem linken Auge. Er ließ ihr Kleid los, zuckte zurück, blinzelte und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht. Linda taumelte von ihm fort, über den Rasen hin zur Veranda. Ihr ersticktes Schluchzen ging ihm durch und durch. Er starrte ihr einen Moment lang nach und sah dann zu Tess hinüber. Die alte Frau hatte sich ein Stück von ihm abgewandt, so dass das Licht aus dem Haus auf ihr Gesicht fiel. Ihre Mundwinkel waren zu einem schmalen Lächeln hochgezogen.
    »Bist du zufrieden mit dem, was du hier angerichtet hast, Mr. Scott?«, sagte sie.
    »Das Grinsen kannst du dir sparen«, sagte er mit leiser, bebender Stimme. »Sonst steige ich aus und poliere dir die Fresse, du widerliche alte Fotze.«
    Sie wurde blass, und das pfeilförmige Muttermal zeichnete sich wie eine großer schwarzer Tintenfleck auf ihrer wächsernen linken Wange ab. Hastig wandte sie sich um und lief ihrer Tochter hinterher.
     
    Ohne irgendetwas wahrzunehmen, fuhr er den Weg zurück, den er gekommen war. Immer wieder wurde er von Wutanfällen geschüttelt. Einmal lachte er voller Verzweiflung auf und fasste sich an die Stirn, wo sie ihn angespuckt hatte.
    Es fiel ihm schwer, einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Immer wenn er versuchte, sich über etwas klar zu werden – wenn er Selbstgespräche darüber führte, was passiert war, was er hätte anders machen sollen –, wurde er wieder von seinen Gefühlen überwältigt. Dann bekam er kaum noch Luft, musste schwer schlucken und hatte Angst, dass er sich etwas antun könnte. Das Steuer herumreißen und gegen einen Baum rasen, zum Beispiel. Er wusste nicht, wohin er fuhr. Von dem Leben, das ihn nun erwartete, hatte er nur eine sehr unklare Vorstellung.
    Inzwischen schneite es immer stärker. Die schwarzen Äste der Tannen am Straßenrand bogen sich unter der Last des Schnees. Die Straße war weiß und die Schneedecke noch nicht einmal festgefahren. Andere Fahrzeuge hatten tiefe Spuren im Schnee hinterlassen. Nachdem er eine Weile unterwegs war, verschwanden sogar diese Spuren. In einer sanften Kurve rutschte plötzlich das Heck des Lieferwagens weg, und Jubal schrie erschrocken auf.
    Er setzte sich auf und beugte sich tief über das Lenkrad. Er bemerkte nicht, wann genau er aufhörte, an Linda und Kelly und die alte Hexe zu denken. Er wusste nicht, wann er anfing, dem Pulsschlag zu lauschen, der ihm in den Ohren dröhnte. Er wusste nicht, wann die Straße ihm Angst zu machen begann. Er bremste ab, bis er kaum mehr als fünfundzwanzig Meilen die Stunde fuhr, und trotzdem gerieten seine abgefahrenen Reifen in den Kurven noch ins Schleudern. Es schneite so stark, dass er keinen Meter weit sehen konnte. Es gab keine Straßenbeleuchtung und weit und breit kein Haus oder eine Farm, deren gelber Lichtschein hinter den zugefrorenen Fenstern ihm Trost gespendet hätten. Jubal beschloss, bei der ersten Gelegenheit rechts ranzufahren … aber es bot sich keine solche Gelegenheit. Die Zehen an seinem linken Fuß waren so kalt, dass sie ihm wehtaten. Nur der rechte Fuß auf dem Pedal war einigermaßen warm, und diese Wärme wurde ihm allmählich unangenehm. Hin und wieder nahm er den Fuß vom Pedal, um in einer Kurve langsamer zu fahren, aber auch, um ihn von dem brennend heißen Eisen wegzubekommen. Als er den Stiefel vom Pedal zog, hörte er ein Reißen. Im Führerhaus roch es nach verbranntem Gummi – die Sohle seines Stiefels löste sich auf.
    Er kam an einer kleinen Kirche vorbei, doch konnte er im Schneetreiben nur einen kurzen Blick auf sie werfen. Gut, hier muss eine Ortschaft sein, dachte er. Da war er sich zum letzten Mal sicher, dass er sich noch auf der Straße befand. Inzwischen fuhr er weniger als zehn Meilen in der Stunde. Im matten Licht der Scheinwerfer war kaum noch etwas zu erkennen.
    Jubals Herz schlug immer schneller, bis schließlich ein junger Baum an der Fahrerseite des Wagens vorbeischrammte. Er hätte ihn nicht einmal bemerkt, wenn er nicht gegen die Karosserie geschlagen hätte. Vorsichtig trat er auf die Bremse und hielt an. Er kurbelte das Fenster herunter, streckte den Kopf hinaus und schaute durch

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