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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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vorstellen, woher sie alle gekommen waren. Er hatte das Gefühl, eine Stunde lang zusammen mit einem Verrückten durch die Finsternis gefahren zu sein, ohne irgendjemandem zu begegnen.
    Er bestellte sich einen Scotch und sank auf einen leeren Barhocker, froh darüber, nicht stehen zu müssen. Der Scotch breitete sich warm in seiner Brust aus, und zusammen mit der Wärme des Gastraumes kehrte allmählich Leben in die Glieder zurück. Trotzdem fühlte er sich abgekämpft und müde. Er erzählte den anderen Gästen, die am Tresen saßen – zwei jungen Burschen, von denen der eine kaum vierzehn Jahre alt war, und einer rotgesichtigen, schwabbeligen Frau, die über alles lachte, was er sagte –, von dem Anhalter. Jubal wunderte sich über das Gelächter, weil er an seiner Geschichte nichts Witziges fand. Aber es tat gut, dass ihm jemand zuhörte, dass er im Warmen hockte und ein Scotch vor ihm stand. Er erzählte, was für einen Unsinn der Anhalter geredet hatte, von seiner blutdurchtränkten Jacke und seinem zerschlagenen Gesicht. Eigentlich hätte er erwartet, dass jemand ihm vorschlug, die Polizei zu rufen, aber das war nicht der Fall.
    »Glauben Sie, er hat jemanden umgebracht?«, fragte Jubal.
    »Wahrscheinlich«, sagte der ältere Bursche, und die Frau lachte, dass ihr fetter Leib wabbelte.
    »Vielleicht hat er auf einer Farm gearbeitet«, sagte der Vierzehnjährige. »Vielleicht hat er Tiere geschlachtet. Mein Bruder hat unten in Fryeburg eine Woche lang Schweine geschlachtet, und wenn er abends nach Hause gekommen ist, hat er immer wie Jack the Ripper ausgesehen. Er wollte auf etwas sparen, aber hat dann doch gekündigt. Er hat gesagt, so dringend braucht er nichts, dass er das mitmacht.«
    »Was ist mit den blauen Flecken, die der Mann im Gesicht hatte?«
    »Vielleicht ist er im Schnee ausgerutscht?«, sagte der Junge.
    »Das hat er auch behauptet.«
    »Na also.«
    »Sie kommen aus Massachusetts, was?«, fragte der Ältere. »Woher? Aus Boston?«
    »Nein, aus der Gegend von Worcester.«
    »Ich war noch nie in Boston, und ich muss da auch nicht hin. Da gibt’s nichts, was mich hinzieht.«
    Jubal nickte und überlegte, wie spät es jetzt wohl war. Schon der Gedanke aufzustehen erschöpfte ihn. Von dem freundlichen Lärm des Lokals umgeben, war es schwer, sich vorzustellen, dass der Obdachlose jemanden umgebracht hatte. Jubal wartete, bis der Kellner ihn ansah, und nickte ihm dann zu. Er wollte noch einen Scotch bestellen, aber dann ging jemand hinter ihm vorbei und rief einem Freund zu, dass es draußen langsam zuschneie. Als der Kellner zu ihm trat, ließ Jubal die Bestellung bleiben, rutschte vom Hocker und fragte, was er schuldig sei. Wenn er wollte, dass Linda ihn freundlich aufnahm, durfte er dort nicht zu spät in der Nacht eintreffen.
    Jubal hatte gedacht, bei dem Mann, dem Jesus seine Jacke gegeben hatte, das letzte Wort gehabt zu haben, aber er hatte sich geirrt. Auf dem Fenster auf der Fahrerseite seines Wagens prangte ein blutrotes Kreuz. Ein weiteres Kreuz war auf der Motorhaube in den Schnee gezeichnet worden, und darüber standen in schiefen, ungelenken Buchstaben die Worte: VERGIB UNS. Jubal wischte alles mit Schnee ab.
     
    Er fuhr durch das hügelige Ortszentrum von Bethel und wieder in das lichtlose Umland hinaus. Kahle, bleiche Äste bildeten über der Straße ein verschlungenes Dach, und die Scheinwerfer fielen in einen endlosen Tunnel. Massen von Schnee lagen wie weiße, reine Seide an einem Hochzeitstag über der Straße.
    Die Farm von Tess Hakeswell lag an einer schmalen Seitenstraße der Route 5, die sich zwischen mehreren kleinen Hügeln hindurchschlängelte. Jubal war schon zweimal dort gewesen, einmal, als er und Linda noch zusammen gewesen waren, und einmal kurz nachdem sie mit Kelly dorthin gezogen war. Eine Weile blieb er im Wagen sitzen und betrachtete das Farmhaus. Im Erdgeschoss waren zwei Fenster erleuchtet. Jubal konnte durch sie in das Esszimmer hineinschauen. Allerdings sah er aus seinem Blickwinkel nur die obere Hälfte des Raumes mit der gelben Tapete und dem Zigarettenqualm, der unter der nackten Glühbirne hing. Jetzt wusste er immerhin, dass Tess mit ihrem Strickzeug in ihrem Sessel saß und Radio hörte. Vielleicht saß Linda bei ihr und rauchte auch.
    Er starrte das Haus an, und vor seinem geistigen Auge sah er die beiden dort, umhüllt von der giftig aussehenden Nebelbank aus Tabaksqualm, sitzen … vor allem Tess. Sie war eine kleine, drahtige Frau mit einem

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