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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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schwarze Plastikbrille auf und trug ein Cordjackett.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
    »Ich heiße Edward Carroll. Ich gebe eine Buchreihe heraus, America’s Best New Horror. « Carroll suchte nach einer Reaktion auf dem Gesicht des hageren Mannes, aber Kilrue blieb ungerührt. »Ich habe eine Geschichte von Ihnen gelesen, ›Buttonboy‹, in True North, und sie hat mir ziemlich gut gefallen. Ich würde sie gern in den diesjährigen Sammelband aufnehmen.« Er hielt inne und fügte hinzu: »Es war nicht gerade leicht, Sie zu finden.«
    »Kommen Sie rauf«, sagte Kilrue und trat einen Schritt zurück.
    Carroll stieg die Treppe hinauf. Unter ihm ging der dicke Bruder durch die Diele davon, Carrolls Jacke in der einen und die Post in der anderen Hand. Plötzlich blieb er stehen und wedelte mit einem braunen Umschlag.
    »Hey, Pete! Moms Sozialhilfe ist gekommen!« Seine Stimme zitterte vor Freude.
    Als Carroll den oberen Treppenabsatz erreicht hatte, ging Peter Kilrue bereits zu einer offenen Tür am anderen Ende des Flurs. Der Korridor wirkte irgendwie schief. Der Boden war abfallend, so stark, dass Carroll sich sogar einmal an der Wand abstützen musste. Einige Dielenbretter fehlten. Ein Kronleuchter mit Kristallanhängern schwebte über dem mit Flusen und Spinnweben bedeckten Treppenhaus. In einem abgelegenen Winkel von Carrolls Gehirn ertönte auf einmal die Anfangsmelodie von The Addams Family, die ein Buckliger auf einem Glockenspiel spielte.
    Kilrue hauste in einem kleinen Mansardenzimmer. An einer Wand stand ein Spieltisch mit abgesplitterter Holzplatte, und darauf eine summende Selectra-Schreibmaschine, ein Blatt Papier in der Walze.
    »Habe ich Sie bei der Arbeit gestört?«
    »Ich kann nicht damit aufhören.«
    »Gut.«
    Kilrue setzte sich auf sein Bett. Carroll trat über die Schwelle, musste jedoch stehen bleiben, weil er sich sonst hätte bücken müssen.
    Peter Kilrues Augen waren sonderbar farblos, die Lider rot, als wären sie gereizt, und er sah Carroll an, ohne zu blinzeln.
    Carroll erzählte ihm von der Anthologie. Er sagte, dass er zweihundert Dollar zahlen könne, zuzüglich eines Anteils am Gewinn. Kilrue nickte, offenbar weder überrascht noch an Einzelheiten interessiert. Seine Stimme klang hauchig, mädchenhaft. Er bedankte sich.
    »Wie fanden Sie den Schluss?«, fragte er dann unvermittelt.
    »Von ›Buttonboy‹? Der gefiel mir. Sonst würde ich die Story nicht nachdrucken wollen.«
    »Unten an der Kathadin University fanden sie ihn ganz furchtbar. All diese Studentinnen mit ihren Faltenröckchen und ihren reichen Vätern. Sie fanden eine Menge an meiner Geschichte furchtbar, aber den Schluss ganz besonders.«
    Carroll nickte. »Sie haben ihn nicht kommen sehen. Wahrscheinlich hat er einigen von ihnen einen heftigen Schreck eingejagt. In der Mainstream-Literatur ist der schockierende Schluss außer Mode gekommen.«
    »In der ersten Fassung wird sie von dem Riesen erwürgt, und sie verliert gerade das Bewusstsein, als sie spürt, wie der andere ihr mit den Buttons die Fotze zuheftet«, sagte Kilrue. »Aber dann hab ich Schiss bekommen und es rausgestrichen. Sonst hätte Noonan es wohl nicht genommen.«
    »In der Horrorliteratur kommt es oft auf die Sachen an, die man unausgesprochen lässt«, erwiderte Carroll, aber er machte nur Konversation. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Ich werd mal ein Vertragsformular aus dem Auto holen.« Warum er das sagte, wusste er nicht. Er hatte gar kein Vertragsformular im Auto, sondern das brennende Bedürfnis, frische Luft zu schnappen.
    Er schlüpfte zurück in den Flur und musste sich zusammenreißen, um nicht loszulaufen.
    Unten an der Treppe angelangt, zögerte er einen Moment und fragte sich, wohin Kilrues feister älterer Bruder mit seiner Jacke verschwunden war. Er hastete den Korridor entlang. Mit jedem Schritt wurde es dunkler.
    Unter der Treppe befand sich eine kleine Tür, doch als er an dem Messinggriff zog, ließ sie sich nicht öffnen. Auf der Suche nach einem Wandschrank ging er weiter. Irgendwo hörte er Fett brutzeln, es roch nach Zwiebeln, und er hörte das Knirschen eines Messers. Er drückte eine Tür zu seiner Rechten auf und blickte in ein für förmliche Anlässe hergerichtetes Esszimmer. An den Wänden hingen Tierköpfe. Fahles Licht fiel über den Tisch. Die Tischdecke war rot, in der Mitte prangte ein Hakenkreuz.
    Behutsam schloss Carroll die Tür wieder. Ein paar Schritte den Flur entlang stand auf der linken

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