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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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hinzuknallen – ihm waren die Ideen und die Geduld ausgegangen.
    Am späten Nachmittag warf er sich aufs Sofa, um nachzudenken und fiel in einen zornigen Schlaf. Selbst im Traum war er noch wütend – als er einen kleinen Jungen, der ihm die Autoschlüssel geklaut hatte, durch ein leeres Kino verfolgte. Der Junge war schwarz-weiß und flackerte wie ein Gespenst oder eine Figur in einem alten Film; aber er hatte offensichtlich einen Riesenspaß, jedenfalls wedelte er mit dem Schlüsselbund hin und her und lachte dabei hysterisch. Carroll schreckte auf, verspürte eine fiebrige Hitze an den Schläfen und dachte: Poughkeepsie.
    Peter Kilrue lebte irgendwo in dieser Gegend von New York und am Samstag würde er auf dem Dark Future Con in Poughkeepsie sein, einer solchen Veranstaltung würde er nicht widerstehen können. Irgendjemand dort würde ihn kennen. Irgendjemand würde Carroll auf ihn aufmerksam machen. Carroll musste einfach nur da sein, und sie würden einander schon finden.
     
    Er würde nicht über Nacht bleiben – bis dorthin brauchte er mit dem Auto vier Stunden, er konnte spät zurückkommen –, also raste er um sechs Uhr früh mit hundertdreißig auf der Überholspur dahin. Hinter ihm ging die Sonne auf, und ihr Licht fing sich blendend hell im Rückspiegel. Es tat gut, das Gaspedal durchzutreten und der langen dünnen Linie seines Schattens hinterherzujagen. Dann musste er daran denken, dass seine kleine Tochter eigentlich bei ihm sein müsste, und er nahm den Fuß vom Gas – seine Begeisterung für die Straße war von einem Moment auf den nächsten verflogen.
    Tracy liebte Conventions, wie alle Kinder. Dieses Spektakel, wenn sich Erwachsene, als Pinhead oder Elvira verkleidet, zum Narren machten. Und welches Kind konnte schon dem Markt widerstehen, diesem riesigen Labyrinth von Tischen und makabren Ausstellungsstücken, zwischen denen man sich verlaufen konnte und wo es für einen Dollar eine abgetrennte Gummihand zu kaufen gab. Auf der World Fantasy Convention in Washington hatte Tracy einmal eine Stunde lang mit Neil Gaiman Flipper gespielt. Sie schrieben sich noch immer.
    Es war bereits Mittag, als er das Mid-Hudson Civic Center fand und hineinging. Der Markt war in einen Konzertsaal gepackt worden, überall drängten sich Menschen, und die Betonwände warfen das Gelächter und das dumpfe Brummen einander überlagernder Gespräche zurück. Er hatte niemandem Bescheid gesagt, dass er kommen würde, aber das spielte keine Rolle – eine der Organisatorinnen, eine pummelige Frau mit rotem Kraushaar, die ein Nadelstreifenjackett mit Schwalbenschwänzen trug, fing ihn gleich ab.
    »Ich hatte ja keine Ahnung …«, sagte sie. Und: »Wir haben ja gar nichts von Ihnen gehört!« Und: »Möchten Sie vielleicht etwas trinken?«
    Dann hatte er eine Cola mit Rum in der Hand und war von einem Knäuel Neugieriger umgeben. Sie plauderten über Filme und Schriftsteller und Best New Horror, und er fragte sich, wie er je hatte daran denken können, nicht hierherzukommen. Bei einer Diskussionsrunde über Kurzgeschichten um halb zwei fehlte jemand, und würde es sich nicht geradezu anbieten … Das würde es wohl, sagte er.
    Er wurde in einen Konferenzraum geführt. Reihen von Klappstühlen, an einem Ende ein langer Tisch mit einem Krug Eiswasser. Er setzte sich zu den anderen Diskussionsteilnehmern: ein Lehrer, der ein Buch über Poe geschrieben hatte; der Herausgeber eines Online-Horrormagazins; ein Kinderbuchautor aus der Gegend, der auch Fantasy-Stoffe verarbeitete. Die Rothaarige stellte sie den zwei Dutzend Leuten vor, die hereingekommen waren, und dann hatte jeder am Tisch die Gelegenheit, ein paar einführende Worte zu sagen. Carroll war als Letzter an der Reihe.
    Er begann damit, dass jede fiktionale Welt phantastisch sei, und wann immer ein Autor eine Bedrohung oder einen Konflikt in seine Geschichte einführen würde, die Möglichkeit bestünde, dass er Horrorliteratur schreibe. Er hege eine Vorliebe für diese Art von Literatur, weil sie sich der grundlegenden Bestandteile des Erzählens bemächtige, um sie in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit auszuloten. Jede Geschichte erzähle von einer imaginären Welt, und deshalb sei das Phantastische bedeutsamer – und auch ehrlicher – als der Realismus.
    Er sagte, dass der größte Teil der Horror- und Fantasy-Stoffe schlimmer als schlimm sei: ausgelaugte, in kreativer Hinsicht bankrotte Nachahmungen von Texten, die für sich genommen schon Schund waren.

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