Black Box
durchdringendes Lachen, ungeübt und eher erschreckend als angenehm. Er lachte und klatschte dabei wie ein Maharadscha, der einen Diener fortschickte, einmal in die Hände.
Der Turm unterschied sich noch in anderer Hinsicht grundlegend von dem, was andere Kinder in seinem Alter so hinbekamen – jeder normale Fünfjährige hätte so etwas nur gebaut, um danach einmal kurz dagegenzutreten und zuzuschauen, wie alles in sich zusammenfiel. Jedenfalls hätte ich das damals gern getan und ich war drei Jahre älter: losmarschieren und mit beiden Füßen wie ein Miniaturgodzilla darauf herumtrampeln, ganz einfach, weil es großen Spaß macht, etwas niederzureißen, was mit solcher Sorgfalt errichtet worden war.
Jedes normale Kind neigt zu solchen Ausbrüchen. Aber wenn ich ehrlich bin, war dieser Zug bei mir wohl noch etwas ausgeprägter als bei anderen. Mein innerer Zwang, Dinge kaputt zu machen, hat mich auch später nicht verlassen, was meiner Frau überhaupt nicht gepasst hat. Sie hat ihrer Missbilligung schließlich Ausdruck verliehen, indem sie die Scheidung eingereicht und mir einen zynischen Anwalt auf den Hals gejagt hat, der die Herzlichkeit einer Häckselmaschine ausstrahlte und im Gerichtssaal mit entsprechender mechanischer Effizienz vorging.
Morris verlor jedoch bald das Interesse an seinem fertigen Bauwerk und wollte Saft trinken. Mein Vater ging mit ihm in die Küche und murmelte dabei, er würde Morris am nächsten Tag einen riesigen Karton Pappbecher zum Spielen mitbringen, damit er im Keller ein noch größeres Schloss bauen könne. Ich wiederum konnte einfach nicht fassen, dass Morris seinen Turm einfach so hatte stehen lassen. Dieser Herausforderung konnte ich nicht widerstehen. Ich erhob mich vom Sofa, tat einen unsicheren Schritt darauf zu – da packte mich auf einmal meine Mutter am Arm und hielt mich fest. Ihr Blick traf sich mit meinem, und darin lag eine nachdrückliche Warnung: Denk nicht im Traum dran! Keiner von uns sagte ein Wort, und einen Moment später habe ich meinen Arm aus ihrem Griff befreit und bin langsam rausgegangen.
Meine Mutter hat mich wirklich geliebt, aber gezeigt hat sie es nur selten, und nur allzu oft schien sie mich emotional auf Distanz zu halten. Sie hat mich weit besser durchschaut als mein Vater. Einmal, als wir im flachen Wasser des Waiden Pond herumalberten, habe ich einen Stein über die Wasseroberfläche hüpfen lassen, direkt auf einen kleineren Jungen zu, der mich nass gespritzt hatte. Der Stein hat ihn mit einem satten Klatschen am Oberarm getroffen und einen hässlichen Striemen hinterlassen. Daraufhin hat meine Mutter dafür gesorgt, dass ich den Rest des Sommers nicht mehr schwimmen durfte, obwohl wir jeden Sonntagnachmittag zum Waiden Pond gingen, damit Morris auf seine unbeholfene Art darin herumpaddeln konnte; irgendjemand hatte meinen Eltern eingeredet, schwimmen sei gut für ihn, und so setzte sie ebenso hartnäckig durch, dass er schwamm, wie sie es mir verbot. Ich musste neben ihr im Sand sitzen und durfte mich nicht außer Sichtweite begeben. Ich durfte lesen, aber nicht mit anderen Kindern spielen oder mit ihnen reden. Rückblickend kann ich es ihr kaum verübeln, dass sie so übermäßig streng mit mir war, in diesem Fall wie bei anderen Gelegenheiten auch. Viel deutlicher als andere erkannte sie meine schlechten Eigenschaften, und das bereitete ihr Sorgen. Sie ahnte, was für ein Potenzial in mir schlummerte – was sie mir gegenüber aber nicht hoffnungsfroh oder gespannt machte, sondern unnachgiebig und streng.
Was Morris im Wohnzimmer in nur einer halben Stunde hinbekommen hatte, ließ ahnen, wozu er in der Lage wäre, wenn er dreimal so viel Platz hätte und so viele Pappbecher, wie er wollte. Im Laufe des nächsten Jahres baute er mit großer Gewissenhaftigkeit eine als Hochtrasse geführte, gigantische Autobahn, die sich durch unseren großen, gut beleuchteten Keller schlängelte, eine riesige Sphinx und ein gewaltiges rundes Iglu, in das wir beide hineinpassten, mit einem niedrigen Eingang, durch den ich mich gerade so hindurchwinden konnte.
Von da an war es kein weiter Weg mehr zu den hoch aufragenden, wenn auch unpersönlichen Legometropolen, die der Skyline tatsächlich existierender Städte nachempfunden waren. Ein Jahr später verlegte er sich auf Dominosteine, mit denen er zerbrechliche Kathedralen baute, von Dutzenden einwandfrei ausbalancierter Elfenbeintürme gekrönt, die halb zur Decke hinaufreichten. Als Morris neun war,
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