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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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dass er verseucht war – eine Anomalie, die zertreten, deren Existenz von einem Unteroffizier mit Scheckbuch vertuscht werden würde. Aber vielleicht war er schon immer irgendwie verseucht gewesen.
    Frustriert, ohne weiter darüber nachzudenken, stieß er sich von dem Müllhaufen ab. Seine Hinterbeine, in denen Sprungfedern zu stecken schienen, hoben ihn in die Höhe, und die Flügel auf seinem Rücken schlugen wie wild auf und ab. Sein Magen rutschte nach unten. Der von der Sonne ausgetrocknete, mit Abfällen bedeckte Boden schwankte unter ihm. Er dachte, er würde abstürzen, tat es aber nicht, sondern segelte stattdessen durch die Luft. Kurz darauf landete er auf einem riesigen Müllberg. Pfeifend entwich der Atem aus seiner Lunge – dabei war ihm nicht einmal bewusst gewesen, dass er die Luft angehalten hatte.
    Für eine Weile hockte er dort benommen, wobei er ein schmerzhaftes Stechen an der Spitze seiner Fühler spürte. Er war gekrochen, gekrabbelt, geklettert – und bei Gott, er war geflogen! Zehn Meter weit durch die stickige Luft von Arizona. Allzu lange dachte er jedoch nicht darüber nach, denn es machte ihm Angst. Er stieß sich wieder ab. Seine Flügel erzeugten ein beinahe mechanisches Surren, während er wie betrunken über die Müllberge hinwegsegelte. Einen Moment lang vergaß er sogar, dass er etwas essen musste, vergaß, dass er noch vor wenigen Sekunden völlig verzweifelt gewesen war. Er presste die Beine an den gepanzerten Körper und starrte auf das Ödland dreißig Meter unter ihm, gebannt vom Anblick seines Schattens, der darüber hinwegglitt.
3
    Als die Sonne untergegangen war, der Himmel aber noch schwach im letzten Licht leuchtete, kehrte Francis nach Hause zurück. Er hatte entsetzlichen Hunger. Wohin sollte er sonst gehen? Zu Eric natürlich – aber um zu ihm zu gelangen, müsste er eine ganze Reihe von Straßen überqueren, und seine Flügel konnten ihn nicht so hoch tragen, dass ihn niemand sah.
    Eine Weile kauerte er im Unterholz hinter der Tankstelle. Die Pumpen waren abgeschaltet, die Lampen darüber ebenfalls, und an den Fenstern des Büros waren die Jalousien heruntergelassen. So früh hatte sein Vater noch nie zugemacht. Mit Ausnahme der Trucks, die hin und wieder vorbeifuhren, war an diesem Ende der Estrella Avenue kein Lebenszeichen zu entdecken. War sein Vater überhaupt zu Hause? Aber wo sollte er sonst sein? So wie Francis hatte auch er keine andere Zuflucht.
    Langsam kroch er über den Schotter zur Fliegentür. Dort angekommen, stellte er sich auf die Hinterbeine und spähte ins Wohnzimmer. Was er sah, verblüffte ihn völlig, fast hätte er sogar das Gleichgewicht verloren. Sein Vater lag ausgestreckt auf dem Sofa, das Gesicht gegen Ellas Busen gedrückt. Offenbar schliefen die beiden. Ella hatte die Arme um Buddy Rays Schultern gelegt und die dicken, stark beringten Hände auf seinem Rücken gefaltet, und es sah aus, als würde er ersticken, so fest war sein Gesicht gegen ihre Titten gepresst. Francis konnte sich nicht daran erinnern, wann er die zwei das letzte Mal so gesehen hatte, und er war erstaunt, wie klein sein Vater im Vergleich zu Ellas massigem Körper wirkte. Er glich einem Kind, das sich an der Brust seiner Mutter ausgeheult hatte und dabei eingeschlafen war. Wie alt sie doch geworden waren! Sie hatten keine Freunde, und noch im Schlaf sahen sie wie Verlierer aus. Dann, wie er sie so eng umschlungen daliegen sah, ergriff Francis ein Gefühl tiefen Bedauerns, denn ihm wurde klar, dass sein Leben mit ihnen vorbei war. Wenn sie aufwachten und ihn sahen, würden sie wieder anfangen zu schreien. Und die Polizei würde mit Gewehren anrücken.
    Er wollte gerade wieder zur Mülldeponie zurückkehren, als sein Blick auf die Schüssel fiel, die rechts neben der Tür auf einem Tisch stand. Ella hatte Tacosalat gemacht. Der Geruch war ihm vertraut. Er konnte alles riechen: den Rost an der Fliegentür, den Schimmel im Teppich, die salzigen Maischips, die in Tacosoße gebratenen Hamburger, den Pfeffer in der Salsa. Vor seinem inneren Auge sah er riesige Salatblätter voller Tacosoße, das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
    Er beugte sich vor und reckte den Hals, versuchte, einen Blick in die Schüssel zu werfen. Die gezackten Klauen seiner Vorderbeine waren gegen die Fliegentür gestemmt, und ohne es zu merken, hatte er sie mit seinem Körpergewicht bereits halb aufgedrückt. Leise schlich er ins Zimmer, wobei er seinen Vater und Ella nicht aus den Augen ließ.
    Die

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