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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Feder an der Innenseite der Tür war alt und ausgeleiert. Nachdem er hindurchgeschlüpft war, fiel die Tür nicht krachend zu, sondern schwang mit einem leisen Quietschen zurück und schlug sanft gegen den Rahmen. Francis kam das Geräusch so laut vor, dass sein Herz zu rasen begann, doch sein Vater drückte sich lediglich noch fester an Ellas Busen. Francis krabbelte zum Tisch und beugte sich über die Schüssel. Es war praktisch nichts mehr übrig, nur noch ein fettiger Rest Tacosoße und einige durchweichte Blätter Romanasalat, die am Schüsselrand klebten. Er versuchte, eines herauszufischen, doch seine Hand war keine Hand mehr. Die kellenförmige Klinge stieß an den Rand der Schüssel und kippte sie um. Er wollte sie noch auffangen, aber sie rutschte von seiner Klaue ab und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden.
    Francis erstarrte. Hinter ihm stöhnte Ella, und er hörte ein metallisches Klicken. Er blickte sich um. Sein Vater stand aufrecht da, keinen Meter von ihm entfernt. Francis begriff, dass er schon wach gewesen sein musste, bevor die Schüssel heruntergefallen war, und nur so getan hatte, als schliefe er. Buddy Ray hielt die aufgeklappte Shotgun in der einen, eine Schachtel Patronen in der anderen Hand. Seine Oberlippe kräuselte sich angewidert. Ihm fehlten einige Zähne, die, die er noch hatte, waren schwarz und verfault. Er öffnete die Patronenschachtel. »Du ekelhaftes Scheißvieh«, sagte er. »Jetzt werden sie mir wohl glauben.«
    Ella setzte sich schwerfällig auf, blickte über die Sofalehne und stieß einen erstickten Schrei aus. »Mein Gott! Herr im Himmel!«
    Francis wollte etwas sagen, wollte »Nein« rufen, sie anflehen, ihm nichts zu tun. Doch was er herausbrachte, hörte sich nur nach quietschendem Metall an.
    »Warum kreischt es so komisch?« Ella versuchte krampfhaft aufzustehen, war aber zu tief in die Polster gesunken. »Geh da weg, Buddy!«
    Sein Vater warf ihr einen Blick zu. »Was meinst du, geh da weg? Ich werd das Vieh abknallen. Diesem Scheißkerl George Walker werd ich’s zeigen. Der lacht mich nich mehr aus.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, aber seine Hände zitterten, Patronen fielen klappernd zu Boden. »Morgen früh ist mein Bild in der Zeitung.« Endlich bekamen seine Finger eine Patrone zu fassen, und er schob sie in den Lauf.
    Francis gab die Verständigungsversuche auf und hob die Vorderbeine – er wollte sich ergeben.
    »Es macht etwas«, schrie Ella.
    »Hältst du jetzt endlich das Maul, du dumme Schlampe! Das ist doch nur ein Käfer. Mir egal, wie groß er ist. Der hat nicht die geringste Ahnung, was ich da tu.« Der Gewehrlauf rastete ein.
    Francis machte einen Satz Richtung Tür. Dabei zuckte sein rechtes Vorderbein herab, und die smaragdgrüne Sichel an der Spitze fuhr quer über das Gesicht seines Vaters – von der rechten Schläfe über den Nasenrücken und fast über die ganze linke Wange. Blut schoss heraus. Buddy Ray öffnete den Mund, als wäre er zutiefst überrascht – wie ein Mann, dem es die Sprache verschlug. Mit einem betäubend lauten Knall, der gleißende Schmerzen durch Francis’ Fühler jagte, ging die Shotgun los. Ein Teil der Ladung erwischte ihn an der Schulter, der Rest bohrte sich hinter ihm in die Wand. Vor Angst und Schmerz stieß er laute Schreie aus – wieder diese verzerrten, metallischen Töne, nur diesmal noch schriller. Sein anderes Bein sauste wie ein Beil herab und grub sich seinem Vater mit einer solchen Wucht in die Brust, dass er es in jedem Gelenk seines Körpers spürte.
    Verzweifelt versuchte er, die Klaue wieder aus seinem Vater herauszuziehen, doch stattdessen hob er ihn in die Höhe. Ella schrie ununterbrochen und zerkratzte sich mit den Händen das Gesicht. Francis bewegte die Arme ruckartig auf und ab, um seinen Vater abzuschütteln, aber er hing wie ein Sack Mehl an ihm. Ellas Geschrei tat ihm so weh, dass er glaubte, ohnmächtig zu werden. Er knallte seinen Vater gegen die Wand, die Tankstelle erzitterte. Als er die Arme zurückzog, glitt sein Vater endlich von seiner Klaue, rutschte an der Wand entlang zu Boden, die Arme über dem Einstich in seiner Brust verschränkt, und hinterließ auf dem Putz einen schmierigen Fleck. Ella kniete auf dem Sofa, schaukelte vor und zurück, kreischte unentwegt. Francis stürzte sich auf sie und hackte mit seinen Klauen auf sie ein. Es klang, als würden Schaufeln in feuchte Erde gestoßen.
4
    Danach hielt sich Francis lange Zeit unter dem Tisch versteckt,

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