Black Box
für die Mitarbeitertreffen am Ende des Monats reserviert war. Aber es war noch nicht Ende des Monats. Ich beobachtete, wie sie auf hohen Absätzen zur Haustür wankte und aufschloss.
Normalerweise duschte sie, wenn sie nach Hause kam. Ich glitt vom Garagendach, schlingerte etwas und stieg dann wie ein schwarzer Ballon zum dritten Stock des schmalen Hauses ihrer Eltern empor, das im viktorianischen Stil erbaut worden war. In ihrem Zimmer war es dunkel. Ich beugte mich vor und spähte durch das Fenster, wartete, dass die Tür aufging. Aber Angie war bereits im Zimmer. Im nächsten Moment knipste sie die Lampe an, die links neben dem Fenster auf einer niedrigen Kommode stand. Dann starrte sie zu mir hinaus, und ich erwiderte ihren Blick, regungslos – ich konnte mich nicht rühren, denn ich war viel zu erschrocken, um auch nur einen Laut von mir zu geben. Sie betrachtete mich mit leeren Augen – sie konnte mich durch ihr Spiegelbild hindurch nicht sehen. Ich fragte mich, ob sie mich überhaupt jemals wirklich gesehen hatte.
Nach einer Weile wandte sie sich ab, zog sich das Kleid über den Kopf und schlängelte sich aus ihrer einfarbigen Unterwäsche. Freundlicherweise ließ sie die Tür zum Badezimmer offen, so dass ich ihr durch das Glas der Duschkabine beim Duschen zusehen konnte. Sie strich ihr honigfarbenes Haar zurück, und heißes Wasser ergoss sich über ihre Brüste. Ich hatte ihr schon früher beim Duschen zugesehen, aber so interessant war es schon lange nicht mehr gewesen. Wenn sie jetzt noch mit dem biegsamen Duschkopf masturbieren würde! Sie hatte mir einmal erzählt, dass sie das als Teenager getan hatte. Aber heute hatte ich kein Glück.
Nach einer Weile beschlug das Fenster, und ich konnte sie nicht mehr so deutlich erkennen. Ihre rosa Gestalt bewegte sich hierhin und dorthin. Dann hörte ich ihre Stimme. Sie telefonierte, fragte jemanden, warum er an einem Samstagabend unbedingt lernen muss. Sie würde sich langweilen und gerne irgendein Spiel spielen. Ihr fast flehentlicher Tonfall klang nach erotischem Überdruss.
In der Mitte des Fensters bildete sich ein Kreis, der langsam größer wurde. Die Feuchtigkeit in ihrem Zimmer verzog sich, ich konnte wieder besser sehen. Angie saß in weißem BH und schwarzem Höschen an einem kleinen Schreibtisch. Sie hatte ein Handtuch um den Kopf gewickelt und spielte am Computer Cribbage. Hin und wieder tippte sie eine Mail, die sie gleich abschickte. Neben der Tastatur stand ein Glas Weißwein. In Filmen betrachten Voyeure schöne Frauen in feiner Spitzenunterwäsche – aber das Banale ist allemal sexy genug: Lippen an einem Weinglas, der Bund eines schlichten Höschens auf weißer Haut.
Als sie sich ausloggte, machte sie einen recht zufriedenen Eindruck. Sie wirkte allerdings keineswegs müde. Sie legte sich auf das Bett, schaltete den kleinen Fernseher ein und zappte durch die Programme. Einmal hielt sie inne, um Seehunden beim Ficken zuzusehen. Der eine stieg auf den Rücken des anderen und rammelte voller Begeisterung und mit wabbelndem Speck.
»Angie«, sagte ich.
Sie schien einen Moment zu brauchen, bis sie begriff, dass sie etwas gehört hatte. Dann setzte sie sich auf, beugte sich vor und lauschte. Ich wiederholte ihren Namen. Sie zwinkerte nervös. Fast widerwillig drehte sie den Kopf zum Fenster, doch auch jetzt sah sie mich noch nicht. Ich klopfte gegen die Scheibe.
Angie zuckte zusammen, ihr Mund öffnete sich, aber sie gab keinen Laut von sich. Nach einer Weile stand sie auf, näherte sich langsam dem Fenster und starrte hinaus. Ich winkte ihr zu. Sie sah nach unten, suchte nach einer Leiter, doch da war keine. Offenbar wurde ihr etwas schwindlig, denn sie stützte sich an der Kommode ab.
»Mach auf«, sagte ich.
Ihre Finger mühten sich mit dem Riegel ab. Schließlich schob sie das Fenster nach oben. »Mein Gott! Wie machst du das nur?«
»Ich weiß nicht. Kann ich reinkommen?« Ich ließ mich auf dem Fenstersims nieder.
»Ich kann das nicht glauben.«
»Doch, es ist real.«
»Aber wie ist das möglich?«
»Ich weiß es nicht, ehrlich.« Ich zupfte am Saum des Capes. »Das ist mir schon einmal passiert. Vor vielen Jahren. Du weißt, mein Knie und die Narbe auf meiner Brust – ich hab dir erzählt, ich sei von einem Baum gefallen.«
Sie runzelte die Stirn. »Ja, der Ast brach ab und fiel runter, aber du nicht, jedenfalls nicht gleich. Du bist in der Luft geblieben. Du hattest dein Cape an, und es war wie Zauberei.«
Sie wusste es.
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