Black Cats 01. Was kostet der Tod
Laptop herum, sodass der Bildschirm in ihre Richtung zeigte, und klickte auf die Start-Taste des Videoplayers. »Sieh es dir selbst an.«
Sie sah es sich an. Das Bild unterschied sich kaum von den vielen anderen Überwachungsaufnahmen, die sie sich stundenlang angeschaut hatte. Ein gleichmäßiger Menschenstrom bahnte sich seinen Weg durch das Einkaufszentrum; in der unteren Ecke des Bildschirms blieb eine Frau stehen, um sich eine warme Bretzel zu kaufen, ganz oben betrachtete ein Pärchen die Schaufensterauslage eines Juweliers.
Dann kam er ins Bild.
»Oh mein Gott.«
»Siehst du ihn?«
Ja, sie sah ihn.
»Das hat gar nichts zu heißen. Nur, dass er dort gewesen ist. Du darfst nicht glauben, dass er … «
Nein. Das glaubte sie nicht. Sie konnte sich nicht einmal annähernd vorstellen, dass er irgendetwas mit der Entführung und dem Mord an der jungen Verkäuferin zu tun hatte.
Aber ihr Bruder tauchte auf diesem Video auf. Er war in diesem Kaufhaus gewesen, nur ein paar Meter von dem Geschäft entfernt, in dem das Opfer gearbeitet hatte, nur wenige Tage vor dem letzten Mord.
»Hast du ihn angerufen?«
Ihr Vater schüttelte den Kopf. Aber sein gequälter Blick verriet, wie viel Mühe es ihn gekostet hatte, sich zurückzuhalten. Er liebte seinen Sohn. Er musste all seine Willenskraft aufgebracht haben, um wie ein Sheriff zu handeln und nicht wie ein Vater.
»Ich muss Dean anrufen.«
»Nein!«
»Dad, schau doch mal, keiner von uns glaubt auch nur eine Sekunde lang, dass Tim irgendwas damit zu tun hat. Und ich bin mir sicher, dass wir das beweisen können. Es gibt einiges, was du nicht über den Fall weißt. Ziemlich viel sogar. Sie brauchen nur kurz seine Wohnung zu durchsuchen, und dann sehen sie, dass er nicht mal einen Computer hat.« Sie hielt inne. »Oder?«
Er schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht, als er noch hier gewohnt hat. Und als ich ihn vor einigen Wochen besucht habe, stand da auch kein Computer.« Wieder ein Indiz, das ihrem Bruder helfen würde. Denn wer auch immer der Sensenmann war, er kannte sich ziemlich gut mit dem Internet aus und hatte auch die Ausrüstung, um seine Kenntnisse anzuwenden. Diese Beschreibung passte nicht auf ihren Bruder.
»Was hat denn ein Computer mit der ganzen Sache zu tun?«, fragte ihr Vater.
»Das spielt keine Rolle. Es geht nur darum, dass Tim kein Technikfreak ist. Er ist nicht der, nach dem wir suchen. Aber dass er in diesem Kaufhaus war, könnte etwas bedeuten, und deswegen muss das FBI es wissen. Vielleicht hat ihn jemand da hingeschickt.« Sie schluckte. »Ein Freund. Vielleicht hat ihm jemand von diesem Mädchen erzählt und ihn gebeten, nach ihr Ausschau zu halten. Es kann alles Mögliche dahinterstecken, aber wir müssen es herausbekommen.«
Die Augen ihres Vaters füllten sich mit Tränen. Sie hatte ihn erst zweimal wirklich weinen sehen: einmal, als er Stacey gesagt hatte, wie ähnlich sie ihrer verstorbenen Mutter sah; und dann, als sie Tim zum ersten Mal in dem Militärkrankenhaus besucht hatten, nachdem er aus dem Irak zurückgekommen war. Jetzt weinte er wieder. »Bitte warte noch! Lass deinem Bruder einen Tag Zeit, um sich zu überlegen, was das zu heißen hat, bevor du das FBI einschaltest.«
»Du verstehst das nicht«, sagte sie so sanft wie möglich, und es brach ihr das Herz, als ihr klar wurde, dass sie ihm alles erzählen musste. »Das Leben eines kleinen Jungen steht auf dem Spiel. An diesem Wochenende stirbt ein Kind, wenn sie den Täter nicht finden.«
Er fiel wieder auf seinen Stuhl zurück, hob die knotigen Finger vors Gesicht und wischte sich die Tränen von den Wangen. »In Ordnung.«
Vorsichtig und liebevoll umfasste Stacey seine Hände. »Er hat es nicht getan. Da bin ich mir ganz sicher. Und das macht es mir viel einfacher, zum Telefonhörer zu greifen und einen Agenten anzurufen, der sehr gute Arbeit leistet. Und der ein sehr zuverlässiger, vernünftiger Mann ist.«
Dad schaute auf, und Hoffnung lag in seinem Gesicht. »Vertraust du ihm?«
Sie nickte. »Ja, das tue ich. Restlos.«
Das war vielleicht verrückt, aber es stimmte. Sie kannte Dean noch nicht sehr lange, doch sie hatte ihn bereits näher an sich herangelassen als irgendjemand anders in ihrem Leben. Und bisher hatte sie das nicht einen Augenblick lang bereut.
»Jetzt ruf ich ihn erst mal an. Dann gehen wir beide auf Nummer sicher und schauen uns jede einzelne Sekunde jeder einzelnen Kameraaufnahme in diesem Kaufhaus an. Da muss noch mehr zu sehen sein.
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