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Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Titel: Black CATS - Parrish, L: Black CATS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Parrish
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ihres festen Vorsatzes, ruhig und gesammelt zu bleiben, erstarrte sie unwillkürlich. Es gab eine ganze Reihe von Fragen, die Wyatt ihr jetzt stellen konnte. Viele davon wollte sie nicht beantworten. Angefangen damit, was sie gerade dachte, bis hin zu der Frage, was sie morgen tun würde. Oder nächste Woche. Nächsten Monat.
    »Würdest du wirklich runter nach Williamsburg fahren? Das Haus verlassen?«
    Lily hielt inne. »Warum denn nicht?«
    »In den ganzen letzten Monaten warst du kein einziges Mal weg.« Aufmerksam blickte er sie an und hakte nach: »Oder?«
    »Angeln kann ich nicht – und irgendwas muss ich ja wohl essen«, erwiderte sie und gab die Übungen schließlich ganz auf. Sie konnte sich nicht konzentrieren, wenn jemand zuschaute – schon gar nicht, wenn sie im Zentrum von Wyatts Aufmerksamkeit stand. Sie schüttelte die Arme aus und stapfte durch den Sand auf die Treppe zu. »Ich gehe hin und wieder auf den Markt.«
    »Aber Maine«, beharrte er, »Maine hast du nicht verlassen?«
    »Warum fragst du?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich bloß, wie es dir geht. Ob du das Haus im Geiste langsam hinter dir lässt. Bereit bist, wieder zu deinem wahren Leben zurückzukehren.«
    »Was gibt es denn, zu dem ich zurückkehren könnte?«, gab sie zurück. »Ich habe keine Familie. Meine Wohnung ist weg. Meinen Job kriege ich auch nicht zurück, wenn das FBI herausfindet, dass ich mich die ganze Zeit versteckt habe.«
    Er trat vor sie und versperrte ihr den Zugang zur Treppe. »Also bist du nicht weggefahren und hast es auch nicht vor?«
    Lily wollte keine Fragen beantworten. Und jetzt erst recht nicht. Wyatt war zu groß, zu nah, zu angespannt. Und viel zu neugierig.
    »Ich kann gehen, wann ich will«, trotzte sie. »Vielleicht mache ich das nachher sogar, nachdem wir uns die Aufnahmen angehört haben. Möglicherweise ist dann der Ausflug nach Virginia erst recht nötig.«
    »Und was würde dich dazu bringen, diese Fahrt zu unternehmen, Lily? Wenn du keine Stimme hörst, die du wiedererkennst?« Seine dunkelblauen Augen funkelten in der frühen Morgensonne. »Oder wenn du eine hörst, die dir nur allzu bekannt vorkommt?«
    Sie wusste, was er meinte. Wonach dürstete sie mehr? Nach Gerechtigkeit – oder nach Vergeltung?
    Wenn sie die Stimme ihres Entführers hörte, würde sie sich dann danach sehnen, dass er seiner gerechten Strafe zugeführt wurde? Oder würde sie vielmehr die Dinge selbst in die Hand nehmen wollen, Gleiches mit Gleichem vergelten und dem Wichser dieselbe Behandlung angedeihen lassen, mit der er sie bedacht hatte?
    Sie überlegte. Doch momentan konnte sie diese Frage nicht beantworten. Rache, hatte sie oft gehört, war ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Aber das Verlangen danach war wie Wein, der einem zu Kopfe stieg, einen mit heißer Flamme durchfuhr. Der Zorn schien sie manchmal schier zur Verzweiflung zu treiben.
    Oder zu Schlimmerem.
    »WasspieltdasüberhauptfüreineRolle?«,antwortetesieschließlichundtrataufdieuntersteStufe.»Ichwerdenirgendwo hinfahren,bevorwirunsnichtdieAufnahmenangehörthaben.«
    Wyatt ließ nicht locker. Er streckte den Arm aus und legte ihr eine starke, schwere Hand auf die Schulter. »Und danach?«
    Geschickt tauchte Lily unter seiner Hand weg. Dann sah sie den zerknirschten Ausdruck, der auf seinem Gesicht erschien. Wahrscheinlich dachte er, dass er ihr Angst eingejagt hätte, und sie bereute ihren Impuls für einen Augenblick. Sie hatte seine Hand nicht abgeschüttelt, weil er sie eingeschüchtert hätte. Im Gegenteil, die Vorstellung, dass Wyatt sie berührte, fand sie kein bisschen erschreckend.
    Eher erregend.
    Grund genug, ihm aus dem Weg zu gehen. Doch wie sie das anstellen sollte, war ihr ein Rätsel – schließlich gehörte Wyatt das Haus, in dem sie wohnte.
    Es gab jedoch einen Ort, an den er ihr erfahrungsgemäß nicht folgen würde. »Nach den ganzen Übungen muss ich erst mal ein bisschen runterkommen«, behauptete sie, ohne auf seine letzte Frage einzugehen. Obwohl sie erschöpft war und nichts lieber wollte als eine heiße Dusche, fügte sie hinzu: »Ich geh noch eine Runde joggen.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und lief den Strand hoch in Richtung Leuchtturm. Wyatt würde ihr nicht hinterherkommen, denn er hasste den Turm. Er hatte sie davor gewarnt, dass die Ruine einsturzgefährdet sei, und sie gebeten, nie dorthin zu gehen. Doch die unverhohlene Abscheu in seinem Gesicht, wann immer er einen Blick auf den

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