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Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Titel: Black CATS - Parrish, L: Black CATS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Parrish
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erste Mal, dass sie wieder ausging. Die erste Mahlzeit, die sie in einem Restaurant einnehmen würde, seit sie und Jackie ein paar Tage vor Lilys Entführung zusammen Mittag gegessen hatten.
    Sie war nervös. Ihre Hand zitterte leicht, als sie ein bisschen von dem Make-up auftragen wollte, das sie sich im Gemischtwarenladen in der Stadt besorgt, aber bisher nicht benutzt hatte. Eigentlich hatte sie es gekauft, um auszuprobieren, ob sie damit die Narben an ihrem Ohr überdecken konnte. Nicht aus Eitelkeit, sondern damit man nicht so schnell sah, dass einmal eine Kugel knapp an ihrem Kopf vorbeigepfiffen war. Doch da ihr Haar jetzt so lang geworden war, brauchte sie die Narben nicht mehr zu verdecken. Trotzdem legte sie sich ein bisschen Grundierung auf die Wangen und tuschte sich die Wimpern, damit ihre Augen trotz der eintönig braunen Kontaktlinsen ein wenig hübscher aussahen.
    Als sie fertig war und in den Spiegel blickte, sah sie die Frau, die die Welt sehen würde. Erleichterung durchflutete sie. Klein und schlank, mit dem dunklen, kurzen Haar, braunen Augen und einem ernsten Zug um den Mund ähnelte sie ihrem alten Ich überhaupt nicht mehr. Auch wenn es sie eigentlich hätte beunruhigen sollen, dass ihr eine Fremde aus dem Spiegel entgegenstarrte, mochte sie das Gefühl.
    Lily fühlte sich … anonym. Frei. Zuversichtlich genug, dass niemand sie erkennen würde – fast freute sie sich darauf, einen Abend lang hinaus in die Welt zu gehen und zu versuchen, alles andere zu vergessen.
    Vielleicht würde sie für immer diese dunkelhaarige, dunkeläugige, unnahbare Frau bleiben. Nie mehr zu ihrem alten Leben zurückkehren. Vielleicht konnte sie hier weggehen und sich in der Welt herumtreiben, sich alles ansehen, was sie ihr zu bieten hatte, ohne dass die Trauer oder der Schmerz der Vergangenheit sie einholten.
    Dann dachte sie an Wyatt und Brandon und an alles, was die beiden für sie getan hatten. Sie dachte an Jackie, an Dean, Kyle und Alec. Sie waren mehr als nur ihre Arbeitskollegen gewesen; sie waren ihre Freunde geworden. Sie hatten um sie getrauert.
    Wenn sie tatsächlich irgendwann beschloss, wieder aus der Versenkung aufzutauchen, dann hatte jeder von ihnen die Chance verdient, ihr ins Gesicht zu sagen, dass sie sich zum Teufel scheren sollte.
    Sie warf ihrem Spiegelbild einen missmutigen Blick zu, dann wandte sie sich ab. Ausgerechnet den Leuten, die sie am meisten mochten, hatte sie ihr Überleben verheimlicht – die Schuldgefühle lasteten schwer auf ihr. Lily wusste, sie musste diese Last irgendwann abwerfen. Danach allerdings war alles möglich. Wenn ihr nicht irgendjemand eine bessere Alternative bot, könnte sie einfach losziehen und genau das Leben führen, das sie wollte. Beinahe freute sie sich schon darauf, auch wenn sie noch wenige Tage zuvor kaum in der Lage gewesen war, sich das überhaupt vorzustellen.
    Was, fragte sie sich, war wohl der Auslöser dafür? War es der Durchbruch in dem Fall, weil sie jetzt wusste, dass sie vielleicht schon bald ihren Entführer finden würden? Oder Wyatts Gegenwart? Vielleicht war es die Erkenntnis gewesen, dass zwischen ihnen etwas in der Luft lag, ob er das nun zugeben wollte oder nicht – etwas, das weit über Freundschaft oder Dankbarkeit hinausging.
    Wie verabredet, kam sie um Punkt sechs nach unten und schaffte es gerade noch, nicht über die letzte Stufe zu stolpern, als ihr Blick auf Wyatt fiel. Mist, musste der Kerl unbedingt einen dieser maßgeschneiderten Anzüge anziehen? In ihrem langen, wallenden Rock, dem eng anliegenden trägerlosen Oberteil und dem bauchfreien Pulli kam sie sich neben ihm ziemlich schäbig vor.
    »Gut«, stellte er fest und nickte anerkennend.
    Wie ihr auffiel, sagte er nicht: »Gut siehst du aus.« Das war kein Kompliment zu ihrem Aussehen. Nur zu ihrer Verkleidung.
    Typisch Mann.
    »Wie nett von dir!«
    Eine seiner Augenbrauen schoss in die Höhe, als er ihren sarkastischen Tonfall bemerkte. Er begriff gar nicht, was sie eventuell gerne von ihm gehört hätte. Und sie würde sich hüten, es ihm zu erklären.
    »Wir müssen das wirklich nicht machen«, wiederholte sie, während er ihre Jacke vom Haken nahm und ihr hineinhalf, mit einer eleganten Bewegung, die so charakteristisch für ihn war.
    »Doch, müssen wir«, widersprach er. »Erzähl mir bloß nicht, dass du bei dieser ganzen Warterei nicht vor Ungeduld platzt, das merke ich ja. Und mir geht es genauso. Also lass uns einfach mal versuchen, einen Abend lang normal zu

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