Black CATS - Parrish, L: Black CATS
Nicht vor Wyatt. Jedenfalls nicht überzeugend. »Nein«, gestand sie. »Ich könnte niemanden kaltblütig umbringen.«
»Nicht einmal jemand abgrundtief Böses? Jemand, den du hasst?«
Lovesprettyboys zum Beispiel? »Ich würde ihm keine Träne nachweinen, wenn jemand anders ihn abmurksen würde. Aber ich könnte das nicht. Nicht einmal so jemanden. Ich könnte einfach niemandem das Leben nehmen, wenn ich nicht dazu gezwungen wäre. Nicht einmal einem Verbrecher. Und ganz bestimmt keinem Unschuldigen.«
»Ein Leben zu beenden ist keine einfache Sache. Selbst wenn es das eigene Leben ist«, murmelte er, so leise und ruhig, dass sie zuerst dachte, sie hätte sich verhört.
Lily spürte plötzlich einen heftigen Stich im Herzen. Dieser Schlag ging definitiv unter die Gürtellinie.
Langsam holte sie Luft. Sie wagte noch nicht zu antworten, und das war auch gut so. Denn als sie über seine Worte nachdachte, erkannte sie beinahe sofort, was er damit sagen wollte.
Wyatt würde ihr niemals absichtlich wehtun – dessen war sie sich gewiss. Er würde ihr niemals den Selbstmord ihrer Schwester unter die Nase reiben. Er zwang sie lediglich, laut auszusprechen, was sie sich bisher nur in der Totenstille der Nacht, in ihrem eigenen Kopf, eingestanden hatte.
Er wusste es. Irgendwoher kannte er die verborgenen Gefühle, die sie so angestrengt zu verdrängen versuchte. Die Bitterkeit. Den Groll. Den Zorn .
»Selbstmord ist etwas Abscheuliches«, erwiderte sie schließlich.
»Ja.«
»Grausam und herzlos. Nahezu unverzeihlich.«
Auch wenn sie ihrer Schwester natürlich inzwischen verziehen hatte. Doch sie hatte ihre Zwillingsschwester beinahe ebenso oft verflucht, wie sie um sie geweint hatte – damals, in den ersten Monaten, als sie sich gefragt hatte, warum Laura sie in dieser Welt allein gelassen hatte.
»Ich weiß«, antwortete er, und irgendetwas in seiner Stimme verriet ihr, dass es ihm ernst war damit. Er wusste es.
Außerdem erkannte er wohl, dass sie sich weit von ihrem eigentlichen Gesprächsthema entfernt hatten, denn er schaffte es, mit einem leichten Schulterzucken und einem Schluck von seinem Drink wieder auf gefahrloses Terrain zurückzukehren. »Also gut, Kriegerprinzessin. Da wäre also das waffenscheue Weichei. Wer noch?«
Zwar war sie froh, dass er das Thema gewechselt hatte, doch bei dieser Beschreibung runzelte sie unwillkürlich die Stirn. Das traf es ein bisschen zu gut. »Ich bin nicht nur mit Weicheiern ausgegangen.«
»Du siehst nicht gerade so aus, als hättest du eine Vorliebe für Football spielende Muskelprotze.«
»Wohl kaum«, antwortete sie und musste sich schütteln.
Nein, die Intelligenzbestien waren ihr immer lieber gewesen. Sie hatte auf Männer gestanden, die klug genug waren, sich nicht allein auf ihre Muskelkraft zu verlassen.
Vielleicht war das der Grund, warum sie immer ein bisschen für Wyatt geschwärmt hatte. Der Gedanke ließ sie noch einmal gründlich nachdenken, bevor sie antwortete. Das Gespräch ähnelte für ihren Geschmack doch ein bisschen zu sehr einem ersten Date.
»Weißt du was? Wenn ich dir all diese Fragen beantworte, dann musst du das auch.«
»Ich bin nicht derjenige, der Angst davor hat, zu seinem richtigen Leben zurückzukehren.«
Ihr klappte die Kinnlade herunter. »Wie bitte?«
»Natürlich hast du guten Grund dafür, Angst zu haben. Du hast eine Menge durchgemacht und bist möglicherweise immer noch in Gefahr.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Aber das ist es nicht allein, stimmt’s? Diese ganze Sache, so schlimm sie auch sein mag, war dir eine willkommene Ausrede, um unterzutauchen, Abschied von deinem Leben zu nehmen, aber auch von deinen Gefühlen.« Mit fast hypnotischer Stimme fuhr er fort: »Damit warst du unempfindlich gegen Trauer und Kummer. Gegen Risiken und Erwartungen.«
Sie schluckte trocken. Unzählige Antworten schwirrten ihr durch den Kopf, für keine konnte sie sich entscheiden. Er hatte recht und unrecht zugleich. Er war unverschämt. Mitfühlend. Aufdringlich. Feinfühlig. Er brachte sie aus dem Gleichgewicht, sodass sie nicht wusste, was er als Nächstes sagen oder fragen würde; unablässig drang er auf sie ein, bis sie alles ausgesprochen hatte, was er hören wollte.
Eigentlich sollte sie sich manipuliert fühlen. Doch das tat sie nicht. Stattdessen verspürte sie nur eine eigenartige Erleichterung, weil sie endlich jemandem die Wahrheit darüber erzählen konnte, wie es in ihr aussah.
Er war dieser Jemand. Und zwar
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