Black CATS - Parrish, L: Black CATS
du das kannst.«
»Gut. Dann ist es vielleicht das Beste, wenn ich nach Washington fahre und mich den Behörden stelle. Ich weiß jetzt, dass der Täter mich sucht, dass er Menschen getötet und Spuren hinterlassen hat, anhand derer man ihn aufspüren kann. Also hat es keinen großen Zweck mehr, mich zu verstecken, oder?«
Schon allein der Gedanke erfüllte ihn mit einem mulmigen Gefühl. »Es gibt mehr Gründe für dich als je zuvor, hierzubleiben. Glaubst du vielleicht, ich lasse zu, dass du zurückgehst und dich zur Zielscheibe für einen Psychopathen machst?«
»Was schlägst du denn vor – dass ich einfach tatenlos hier herumsitze? Dass ich weiter andere Leute meine Kämpfe ausfechten lasse?«
Gerade wollte er etwas erwidern, da kam Brandon ihm zuvor.
»Nein, Lily. Ich glaube nicht, dass du hierbleiben kannst. Ich bezweifle, dass du das überhaupt in Erwägung ziehen wirst.«
Wyatt und Lily fuhren zu Brandon herum, der im Türrahmen stand. Er steckte das Handy in die Hosentasche und betrachtete besorgt Lilys hübsches Gesicht.
»Was ist los?«, fragte Wyatt und erhob sich langsam.
Lily stand ebenfalls auf.
»Jesse Tyrone Boyd«, erwiderte Brandon und zog jede Silbe des verhassten Namens, den Wyatt sofort wiedererkannte, in die Länge. Bedauern lag in seiner Stimme und spiegelte sich in seinen Augen. »Sein Urteil ist aufgehoben worden. Er wurde aus dem Gefängnis entlassen.«
10
Als Lily das letzte Mal in Washington, D. C. gewesen war, hatte die klirrende Januarkälte die Stadt fest in ihrem Griff gehabt und alles war grau und leblos gewesen. Die Einwohner hatten sich in ihren Häusern verkrochen und waren nur herausgekommen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Der Spätsommer in der Hauptstadt bot ein völlig anderes Bild. Überall waren Menschen unterwegs, joggten, schoben Kinderwagen vor sich her oder spielten Softball auf dem Rasen in der National Mall. Mit Kameras und unzähligen Einkaufstüten beladene Touristen warteten in langen Schlangen vor Reisebussen, Geländewagen rangelten miteinander um die spärlichen Parkmöglichkeiten, Tauben kreisten über den Parkbänken, und die ganze Stadt strotzte vor Leben.
Genau wie Lily.
Sie hatte keine Angst. Obwohl sie wusste, dass jemand es auf ihr Leben abgesehen hatte, fürchtete sie sich nicht, als sie wieder vertrautes Gebiet betrat. Washington war lange Zeit ihr Zuhause gewesen, nicht weit entfernt von Annapolis, wo sie geboren wurde und ihre gesamte Kindheit verbracht hatte. Trotz all der Hürden, die vor ihr lagen, fühlte sie sich hier wohl. Hier gehörte sie her. Ihr Herz pochte wild, doch sie war von keinerlei bösen Vorahnungen erfüllt. Nur von Entschlossenheit. Lily war darauf vorbereitet, sich allen Herausforderungen zu stellen.
Und als Erstes würde sie das miese Schwein, das ihren Neffen ermordet hatte, wieder hinter Gitter bringen, wo es hingehörte.
Sie kannten noch nicht viele Einzelheiten – nur das, was sie auf einer Washingtoner Nachrichtenwebsite gelesen hatten. Verurteilter Kindsmörder freigelassen – Veränderte Beweislage und Tod der Hauptzeugin geben dem Fall neue Wende .
Lily schüttelte den Kopf. Diese ganze verrückte Kette von Ereignissen versetzte sie immer noch in Erstaunen. Irgendeine hochkarätige Anwältin hatte Boyd ein Berufungsverfahren verschafft. In dem Artikel stand, dass mit dem ursprünglichen Prozess irgendetwas nicht gestimmt hatte und dass ein völlig unbekannter Mann mit einem Alibi für Boyd aus der Versenkung aufgetaucht war. All das, zusammen mit Lilys Tod, hatte das Gericht veranlasst, den Kerl laufen zu lassen. Der Staatsanwalt hatte sich bisher nicht dazu geäußert, ob er erneut Anklage erheben wollte.
Ohne Zeugin würde er das wahrscheinlich nicht tun, hatte Wyatt erklärt.
Lily war beinahe übel geworden, als Brandon ihnen davon erzählt hatte. Allein bei der Vorstellung, dass dieser Perversling wieder frei herumlief, drehte sich ihr der Magen um. Und sie hatte sich gefragt, ob sie nicht doch zu solchen Grausamkeiten, wie Wyatt sie beschrieben hatte, fähig war.
»Meinst du nicht, dass wir einfach auf direktem Weg zum Staatsanwalt fahren sollten?«, fragte sie ihn, als sie die Key Bridge passierten. Nachdem sie auf dem Ronald-Reagan-Flughafen gelandet waren, hatten sie erst einmal Brandon bei seiner Wohnung in der Innenstadt abgesetzt. Jetzt waren sie unterwegs nach Alexandria, zu Wyatts Stadthaus. Da Lily keine Wohnung mehr hatte, in die sie hätte zurückkehren können, hatten sie
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