Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hinüberzugleiten.
»Ich und jemand ausnutzen? Machst du Witze? Du hast den größten Depp vor dir, der auf Gottes Erdboden rumläuft.«
»Bis irgendwann mal, Dixie.«
»Ja, zum Teufel. Die schmeißen mich hier sowieso bald raus. Sind ja bloß Wehwehchen zweiten Grades, da hatt ich schon ’n schlimmeren Kater. Uns geht’s doch noch goldig, Alter.«
Und so ließ ich ihn allein mit seiner Menagerie schnappender Hunde und hungriger Schlangen.
An diesem Samstag weckte ich Alafair in aller Frühe, erzählte ihr nichts vom Ziel unseres Ausflugs und fuhr mit ihr durch die Frische der rosarotgesprenkelten Morgendämmerung zur texanischen Seite des Sabine-Paß, wo sich der Sabine River in den Golf ergießt. Nicht weit von der verkrusteten grauen Sandbank, die dort als Strand herhalten muß, besaß einer meiner Freunde vom Militär eine kleine Farm, die Sand und Salz trotzte. Es war ein seltsamer, abgelegener Ort, reichlich gesegnet mit der zusammengewürfelten Flora zweier Bundesstaaten: ruhige Seen, gesäumt von abgestorbenen Zypressen, einzelne Eichen inmitten flacher Weiden, miteinander verwachsene Schwarzeichen am Rande ausgetrockneter Bachläufe, fächerförmig angeschwemmte Sanddünen, auf deren Kämmen Salzgras wuchs und schlanke Palmen in den Himmel ragten, deren Silhouetten sich schwarz vor der Sonne abzeichneten. Zwischen den Pinien, die das Anwesen meines Freundes begrenzten, schimmerten die wogenden und stampfenden Wellen des Golfs, und in den Wasserkaskaden, die sich am Strand brachen, schillerte die Gischt in allen Farben des Regenbogens.
Es war ein Ort, der geprägt war von salzverkrustetem Gras, Alligatoren, Insekten, Elstern und Truthahngeiern, von ertrunkenen Kühen, die einen Kilometer gegen den Wind stanken, von Tropenstürmen, die einen Wasserturm aussehen lassen konnten, als sei er frisch abgeschmirgelt, und von Leuten wie meinem Freund, die sich entschlossen hatten, durch eine Lücke in den Gesetzmäßigkeiten der Welt zu schlüpfen und nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben. Er war wegen einiger Zwischenfälle unehrenhaft aus der Armee entlassen worden, hatte kurze Zeit in einer Nervenklinik in Galveston verbracht, anschließend bei den Anonymen Alkoholikern traurig versagt und war als Farmer schon damit überfordert, Dornenstauden an einem Feldrain anzupflanzen.
Aber er züchtete einige der schönsten Appaloosa-Pferde, die ich je gesehen hatte. Wir saßen in seiner Küche beim Kaffee, während Alafair eine Cola trank, dann nahm ich ein paar Zuckerwürfel, und wir gingen hinaus auf den Hinterhof.
»Was machen wir, Dave?« fragte Alafair. Sie sah zu mir hoch und blinzelte im Sonnenlicht, das durch die Pinien schien. Sie trug ein gelbes T-Shirt, ausgebeulte Jeans und rosa Tennisschuhe. Der Wind, der vom Wasser herüberblies, zerzauste ihre Ponyfrisur.
Mein Freund zwinkerte uns zu und ging in die Scheune.
»Auf Tripod kann man nicht reiten, nicht wahr, kleines Kerlchen?«
»Was? Auf Tripod reiten?« sagte sie mit verwirrter Miene, die sich plötzlich aufheiterte und schließlich in ein breites Grinsen umschlug, als sie hinter mir sah, wie mein Freund einen dreijährigen Wallach aus der Scheune führte.
Der Appaloosa war stahlgrau, hatte weiße Fesseln und einen schwarz-weiß gefleckten Rumpf. Er schnaubte und warf den Kopf gegen das Zaumzeug. Alafairs braune Augen konzentrierten sich abwechselnd auf das Pferd und auf mich, und die Verzückung stand ihr im Gesicht geschrieben.
»Meinst du, du kannst nicht nur auf Tripod und deine Kaninchen, sondern auch auf ihn aufpassen?« sagte ich.
»Ich. Er ist für mich?«
»Darauf kannst du wetten. Er hat mich gestern angerufen und gefragt, ob er bei uns wohnen darf.«
»Was? Ein Pferd ruft an?«
Ich hob sie hoch und setzte sie auf den Gatterzaun, dann ließ ich den Appaloosa die Zuckerwürfel aus meiner Hand fressen.
»Er scheint auch ein Leckermaul zu sein, genau wie du«, sagte ich. »Wenn du ihn fütterst, mußt du’s ihm mit der flachen Hand geben, sonst beißt er dir aus Versehen in die Finger.«
Dann kletterte ich über den Zaun, bestieg das ungesattelte Pferd und holte Alafair zu mir herauf. Mein Freund hatte die Mähne des Pferdes getrimmt, und Alafair streichelte sie, als handele es sich um eine riesige Schuhbürste. Ich setzte das Pferd mit sanftem Druck meines rechten Absatzes in Bewegung, und wir drehten langsam eine Runde um die Koppel.
»Wie heißt er?« fragte Alafair.
»Wie wär’s mit Tex?«
»Warum das?«
»Weil er aus
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