Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Texas kommt.«
»Was?«
»Das hier ist Texas.«
»Das ist wo?«
»Ist nicht weiter wichtig.«
Ich gab meinem Freund ein Zeichen, das Tor zu öffnen, und wir ritten durch ein ausgedehntes Piniengehölz zum Strand. Die Wellen hatten die Farbe von grünem Schiefer und waren voller Riementang, sie klatschten laut gegen den Sand, und ihre Ausläufer erreichten in schmalen Rinnsalen fast den höhergelegenen trockenen Bereich, wo Salzgras und Pinien wuchsen. Es war windig und gleichzeitig kühl und warm, und wir ritten ungefähr eine Meile am Rand der Brandung entlang, bis wir eine Stelle erreichten, wo zwischen der Sandbank und der Außenpier eine flache Lagune lag, in deren Mitte ein abgewrackter Garnelenkutter grau und farblos auf der Seite dümpelte, über dem die Luft vom mißtönenden Kreischen eines Möwenschwarms erfüllt war. Hinter uns zog sich die einsame Hufspur des Pferdes in langgezogenem Bogen durch den nassen Sand.
Ich gab meinem Freund vierhundert Dollar für den Appaloosa, und für weitere dreihundert gab er noch das Sattelzeug und den selbstgebauten Anhänger dazu. Fast den ganzen Heimweg hockte Alafair auf den Knien auf dem Vordersitz und schaute entweder durch das Hinter- oder das Seitenfenster auf den angekoppelten Pferdeanhänger, während ihr seidiges Haar flach an die Kopfhaut gepreßt wurde.
Am Montag begab ich mich zum Lunch ins Haus und schaute dann noch am Briefkasten oben an der Straße vorbei, bevor ich wieder zur Anlegestelle ging. Die Sonne schien warm, in den Eichen am Straßenrand zwitscherten Spottdrosseln und Eichelhäher, und der Rasensprenger meines Nachbarn trieb den Wasserdunst in glänzenden Schwaden über die Hortensienbeete und die Reihen blühender Azaleen und Myrtenbüsche. Ganz hinten im Briefkasten lag ein schmales Päckchen, nicht länger als zwanzig Zentimeter. Es war in New Orleans aufgegeben. Ich steckte die übrige Post in die Hosentasche, zerrte den Bindfaden über die Ecken des Päckchens und brach das braune Packpapier mit dem Daumen auf.
Obenauf lag ein Stück Pappe, das ich herausnahm. Darunter fand ich, eingewickelt in einen linierten Notizzettel, eine Einwegspritze, die an einem Streifen Baumwollstoff befestigt war, und ein Foto. In der Spritze waren die getrockneten Rückstände einer braunroten Flüssigkeit. Das Foto war verkratzt, und die Ecken waren vergilbt, doch die Details stachen mit brutaler Eindeutigkeit ins Auge. Auf einer Lichtung lag ein weiblicher Vietcong im pyjamaartigen Kampfanzug neben einem Panzer; der abgeschlagene Kopf lag auf ihrem Bauch. Jemand hatte ihr eine eiserne Ration in den Mund gestopft.
Der Notizzettel sah aus, als stamme er aus einem Terminkalender, wie ihn Firmenchefs verwenden. Die Worte waren in Großbuchstaben mit schwarzer Tinte geschrieben.
Verehrter Herr,
der Kerl, der diese Aufnahme gemacht hat, ist ein reichlich durchgeknallter Typ. Ihm hat’s da unten gefallen, und eigentlich wollte er gar nicht mehr zurück. Er sagt, er hat die Spritze für einen Snuff-Film drüben in Oakland benutzt. Ich weiß nicht, ob ich ihm das glauben soll oder nicht. Aber Ihre kleine Göre aus dem Bohnenfresserland steigt jeden Morgen um Viertel vor acht in den Bus. Um halb neun kommt sie in der Schule an. Ab zehn ist sie auf dem Spielplatz, und gegen Mittag verläßt sie ihn. An der Straßenecke am südlichen Stadtausgang wartet sie auf den Bus, der fünf Minuten nach drei kommt. Manchmal steigt sie auch schon vor ihrer Haltestelle aus und läuft den Rest des Wegs zusammen mit einem farbigen Kind. Wir meinen es bitterernst. Machen Sie also keinen Scheiß, sonst müßten wir Ihnen gehörig den Tag versauen. Schauen Sie sich die schlitzäugige Schlampe auf dem Bild genau an. Sie hat echte Schwierigkeiten, ihre Ration runterzubekommen.
»Was machst du so ein Gesicht? Was is los, Dave?«
Batist stand hinter mir. Er trug weitausgestellte Marinehosen und ein ärmelloses Khakihemd ohne Knöpfe. Auf seiner Glatze hatten sich Schweißperlen gesammelt, Handrücken und Unterarme waren mit dem Blut der Fische beschmiert, die er gerade ausgenommen hatte.
Ich legte das Foto, den Brief und das aufgerissene Päckchen zurück in den Briefkasten und lief, so schnell ich konnte, zur Anlegestelle hinunter. Ich rief in der Grundschule an, bat die Direktorin, sich zu vergewissern, daß Alafair in ihrem Klassenzimmer war, und sagte ihr dann, sie solle dafür sorgen, daß Alafair an diesem Nachmittag nicht in den Schulbus steige, ich würde da sein und sie
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