Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
abholen. Als ich zum Haus zurückging, stand Batist immer noch am Briefkasten. Er konnte nicht lesen, daher war der Brief für ihn bedeutungslos, aber ein gefährliches Funkeln stach aus seinem Blick, als er mit der trockenen Zigarre im Mundwinkel auf das Foto starrte, das in der Wölbung seiner riesigen Pranke fast verschwand.
»Que ça veut dire, Dave? Und was soll die Spritze?« sagte er.
»Jemand bedroht Alafair.«
»Sie schreiben, sie wollen dem Mädchen was tun?«
»Ja.« Das Wort verursachte in meiner Brust dumpfe Schwere.
»Wer sind die? Wo stecken sie, die Leute, die so was tun?«
»Ich glaube, es sind zwei Typen aus Lafayette. Sie haben mit Öl zu tun. Hast du jemand rumlungern sehen, der aussieht, als ob er hier nichts verloren hat?«
»Hab nicht aufgepaßt. Hab keinen Grund gehabt dafür.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Was tun wir?«
»Ich werde Alafair abholen, und dann rede ich mit dem Sheriff.«
Ich nahm ihm das Foto aus der Hand, hielt es vorsichtig an einer Ecke und legte es zurück in den Briefkasten. »Ich laß das Zeug erst mal hier drin. Nachher nehmen wir es dann mit ins Haus und schauen, ob Fingerabdrücke drauf sind. Deshalb sollten wir’s jetzt nicht mehr anfassen.«
»Nein, ich meine, was tun wir?« sagte er. Mit seinen braunen Augen schaute er mir tief in meine. Über seine Absichten konnte es keine Zweifel geben.
»Ich werde Alafair jetzt abholen. Paß auf den Laden auf, ich bin bald zurück.«
Batists Mund hielt die unangezündete Zigarre. Er wendete den Blick von mir ab, starrte in den Schatten der Pecanobäume und hing einen kurzen Moment seinen eigenen Gedanken nach. Als er sprach, war seine Stimme leise.
»Dave, auf dem Bild, das war da, wo du im Krieg warst?«
»Ja.«
»Sie haben so was gemacht?«
»Einige. Nicht viele.«
»In dem Brief, steht da das über Alafair?« Ich schluckte, war aber nicht fähig, ihm zu antworten. Das dumpfe Gefühl in meiner Brust wollte nicht aufhören. Es war durchaus mit Angst vergleichbar, war aber anders als alles, was ich bislang erlebt hatte. Es hatte einen Hauch von Unanständigkeit, so als ob sich eine geile Männerhand unter mein Hemd geschoben hätte und nun schwitzend auf meinem Brustbein ruhte. Das Sonnenlicht schimmerte auf dem Bayou, aber die Bäume und die blühenden Hyazinthen auf der anderen Seite verschwammen vor meinen Augen. Mein Blick fiel auf eine Mokassinschlange, die sich auf einem entborkten, sonnengebleichten Holzklotz eingerollt hatte und deren dreieckiger Kopf im harten, gelbgefärbten Licht wie poliertes Kupfer glänzte. Schweiß lief mir unter den Haaren hervor, und ich fühlte jeden Herzschlag in meinem Brustkorb. Ich klappte den Briefkasten zu, stieg in meinen Truck und raste den Feldweg hinunter in Richtung New Iberia. Als ich über die Zugbrücke rumpelte, die den Bayou Teche überspannt, hielt ich das Steuer so fest umklammert, daß meine Knöchel weiß und rund wie Vierteldollarmünzen waren.
Auf dem Rückweg von der Schule fiel ein gesprenkeltes Muster aus Licht und Schatten durch das Laubdach der Eichen und flackerte auf dem sonnengebräunten Gesicht Alafairs, die neben mir im Truck saß. Ihre Knie, die weißen Söckchen und auch die Ledersandalen waren beim Spielen auf dem Schulhof ziemlich schmutzig geworden. Neugierig schaute sie mich immer wieder von der Seite an.
»Was nicht in Ordnung, Dave?« sagte sie.
»Nein, überhaupt nicht.«
»Was Schlimmes passiert, nich war?«
»›Nich wahr‹ sollst du nicht sagen.«
»Warum bist du böse?«
»Hör zu, kleines Kerlchen, heute nachmittag muß ich ein paar Dinge erledigen, da möchte ich, daß du unten an der Anlegestelle bei Batist bleibst. Du kannst ihm ja im Laden helfen, okay?«
»Was ist denn los, Dave?«
»Du brauchst keine Angst zu haben. Aber ich will, daß du allen Leuten aus dem Weg gehst, die du nicht kennst. Bleib immer schön in der Nähe von Batist, Clarise und mir. Weißt du, da sind zwei Männer, die mir Ärger machen. Wenn sie bei uns auftauchen, werden Batist und ich sie wegjagen. Aber ich will nicht, daß sie dich, Clarise, Tripod oder irgendeinen von unseren Freunden belästigen, verstehst du.« Ich zwinkerte ihr zu.
»Die Männer sind böse?« Mit klarem und unerschrockenem Blick schaute sie zu mir auf.
»Ja, das sind sie.«
»Was machen sie?«
Ich holte tief Luft und stieß sie wieder aus.
»Ich weiß es nicht genau. Aber wir müssen ein bißchen vorsichtig sein. Das ist alles, kleines Kerlchen. Über solche Sachen
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