Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Blut wieder in mein Hirn strömte.
»Er hat ein paar schlechte Dinge getan, aber er ist kein schlechter Mensch«, sagte sie. »Er bewundert Sie. Er wünschte, Sie wären noch sein Freund.«
»Als ich ihn gebraucht hatte, hat er mich im Stich gelassen.«
»Vielleicht hat er dafür bezahlen müssen. Schlafen Sie jetzt. Ich bleibe hier und mache Ihnen was zu essen, wenn Sie aufwachen.«
Sie breitete die Decke über mir aus und zog sie hoch bis unter mein Kinn. Ihre Hand berührte meine, und ungewollt schmiegten sich meine Finger dagegen. Ihre Hand war breit und schwielig, und die Knöchel fühlten sich unter der Haut hart wie Münzen an. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letztenmal die Hand einer Frau gehalten hatte. Ich drückte ihre Finger zusammen, streichelte mit dem Daumen über die Narben auf der derben Haut und ließ dann unsere verschlungenen Hände auf meiner Brust ruhen, als gebe die Situation mir ein Recht, das ich in Wirklichkeit nicht hatte. Doch sie zog ihre Hand nicht weg. Sie machte ein freundliches Gesicht, wischte mit dem Handtuch die Feuchtigkeit von meinem Gesicht und blieb einfach an meiner Seite sitzen, während draußen der Regen über den Hof und das Dach peitschte und ich am Grunde meines Schwindels versank, tief unten an einem kühlen, sauberen und sicheren Ort, wo kein Feuer brannte, wo der graue Morgen so harmlos war wie die Berührung meiner Stirn an ihrem Schenkel.
Als ich wieder aufwachte, war es früher Nachmittag. Die Sonne war hervorgekommen, der Himmel strahlte blau, und das Grün im Hof war noch satter. Ich fühlte mich sehr schwach, doch was immer in meinen Metabolismus eingedrungen war, es hatte sich zurückgezogen wie ein gelangweilter Besucher. Mit bloßen Füßen öffnete ich die Haustür, und die Luft war kühl und voller Sonnenlicht, und die gezackten Gipfel der Bitterroot Mountains im Süden waren von Neuschnee bedeckt. Draußen im Fluß tanzte eine riesige Baumwurzel naß und glänzend in der Strömung. Ich hörte sie hinten in der Küche, und bruchstückhaft, wie wenn nach einem trunkenen Traum die Erinnerung zurückkehrt, fiel mir mein vorheriges Benehmen wieder ein.
Sie sah es mir ebenfalls am Gesicht an.
»Ich hab Clete angerufen. Er weiß, wo ich bin. Er hat nichts dagegen«, sagte sie.
»Ich möchte mich für Ihre Freundlichkeit bedanken.«
Ihr Blick wurde sanft und wanderte über mein Gesicht. Ich fühlte mich unbehaglich.
»In meinem Leben gibt’s komische Momente. Erklären kann ich’s nicht«, sagte ich. »Deshalb sag ich den Leuten, es wär Malaria. Vielleicht stimmt es, aber genau weiß ich’s nicht. Vielleicht ist es auch was anderes. Bei den Anonymen Alkoholikern sagt man manchmal Trockensuff dazu. Man hängt’s nicht an die große Glocke.«
Ich holte eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank und setzte mich an den Küchentisch. Durch das Fliegengitter der Hintertür konnte ich eine ältere Frau sehen, die ihren Gemüsegarten jätete. Nebenan schob jemand einen Rasenmäher durchs Gras. Darlenes Blick ruhte noch immer auf meinem Gesicht.
»Clete sagt, Sie haben Ihre Frau verloren.«
»Ja.«
»Er sagt, zwei Männer haben sie umgebracht.«
»Das stimmt.«
»Wie ist es geschehen?« Sie drehte die Flamme unter dem Suppentopf aus.
»Ich hab mich mit Leuten angelegt, von denen ich mich hätte fernhalten sollen.«
»Ich verstehe.« Sie nahm zwei Suppenteller aus dem Geschirrschrank und brachte sie mit Löffeln zum Tisch. »Quält es Sie sehr?«
»Manchmal.«
»Ich hab mir auch Vorwürfe gemacht, als mein Mann umkam. In der Nacht davor hatte ich ihn ausgesperrt. Ich war dahintergekommen, daß er mich mit einem weißen Mädchen betrügt, das in der Fernfahrerkneipe arbeitet. Es waren unter zehn Grad minus, und er mußte die Nacht im Auto verbringen. In dem Zustand ging er am nächsten Morgen zur Arbeit, und da hat ihn dann ein Bulldozer von hinten erwischt. Er war wie ein kleiner Junge. Immer am falschen Ort. Hat sich immer schnappen lassen. Er war ein Jahr in Deer Lodge, weil er aus einem Kühlschrank im Lebensmittelladen Wild gestohlen hat. Er hat deswegen immer gelogen und den Leuten erzählt, er hätte wegen bewaffneten Raubüberfalls gesessen.«
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Sie sollten sich nicht die Schuld an dem geben, was mit Ihrer Frau passiert ist. Ihnen ist wahrscheinlich gar nicht bewußt, was Sie gestern getan haben. Sally Dio ist wahnsinnig.«
»Nein, ist er nicht. Er will nur, daß die Leute es glauben. Solche
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