Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
schloß, sah ich einen kupferfarbenen Bach im Regen, und in ihm schwamm eine braune Forelle mit zerfetztem Maul, aus deren Kiemen in dunklen Schwaden Blut quoll.
Am nächsten Morgen ging ich zur Kirche, einem alten Backsteinbau gleich neben Alafairs Schule. Über dem Tal stand die Sonne bereits strahlend am blauen Himmel. Auf einem Berg über dem Hellgate Canyon konnte man Pferde sehen, die auf den mit Lupinen bewachsenen Weiden unterhalb des Waldes grasten, und die Bäume am Ufer des Flusses waren nach dem Regen dunkelgrün. Die Strömung, die zwischen den von der Sonne erhitzten Felsen dahinschoß, sah tief und kalt aus. Neben der Seitentür der Kirche war ein Garten angelegt, und vor der roten Ziegelwand blühten gelbe Rosen und grüne Minze. Ich trat ein, bekreuzigte mich vor dem Weihwasserbecken und kniete in einer Bankreihe beim Altar nieder. Wie in fast allen katholischen Kirchen roch es nach altem Gemäuer, Weihrauch und brennendem Wachs. Ich glaube nicht, daß dies in einer katholischen Kirche Zufall ist. Vielmehr glaube ich, daß es in den Katakomben, in denen die ersten Christen ihre Messen hielten, ähnlich gerochen haben muß.
Ich betete für Darlene, für Alafair, für meinen Vater und meinen Bruder, dann für mich selbst. Aus der Sakristei kam ein muskelbepackter, blondgelockter Pfarrer, der schwarze Hosen, abgetragene Cowboystiefel und ein T-Shirt trug und damit begann, die Blumenvasen vom Altar zu räumen. Ich ging zum Altargitter, stellte mich vor und fragte ihn, ob er mir die Beichte abnehmen könne.
»Gehen wir raus in den Garten«, sagte er.
Zwischen Kirche und Pfarrhaus befand sich eine in der Sonne gelegene Einfriedung, wo es einen Zierrasen, Blumenbeete, Steinbänke, einen Futterplatz für Vögel und ein kleines Treibhaus gab. Der Pfarrer und ich nahmen nebeneinander auf einer Bank Platz, und ich erzählte ihm von meiner Affäre mit Darlene und von ihrem Tod. Während ich sprach, hob er kleine Steinchen vom Boden auf und warf damit auf die Blätter einer eingetopften Pflanze. Als ich meine Beichte beendet hatte, verharrte er einen Moment in Schweigen und sagte dann: »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das eine Beichte war. Glauben Sie denn, daß Sie diese Frau ausgenutzt haben?« »Das weiß ich nicht.«
»Glauben Sie, daß Ihr Verhalten zu ihrem Tod beigetragen hat?«
»Ich glaube nicht, aber ich bin mir nicht sicher.«
»Könnte es nicht sein, daß noch etwas anderes Sie quält, etwas, das wir noch nicht angeschnitten haben?«
Ich erzählte ihm von Annie, von den Schrotgewehrsalven, die in der Dunkelheit unseres Schlafzimmers aufblitzten, von dem mit ihrem Blut durchtränkten Laken und davon, wie kalt ihre Finger waren, als ich sie in den Mund steckte. Ich konnte hören, wie er neben mir nach Luft rang. Als ich zu ihm aufblickte, sah ich, wie er schluckte.
»Tut mir leid«, sagte er.
»Der Schmerz wird nicht nachlassen, Vater. Ich kann nicht glauben, daß das jemals geschehen wird.«
Er hob ein weiteres Steinchen auf, zielte auf die Pflanze, ließ es dann aber aus der Hand fallen.
»Ich glaube nicht, daß es mir zusteht, Ihnen Ratschläge zu erteilen«, sagte er. »Aber ich bin der Meinung, daß Sie ein guter Mensch sind und sich unnötig Vorwürfe machen. Sie waren sehr einsam, als Sie diese indianische Lady kennenlernten. Und ganz offensichtlich hat sie Ihnen etwas bedeutet. Vielleicht ist es aber manchmal anmaßend, ein Urteil über sich selbst zu fällen. Haben Sie es schon mal aus dieser Perspektive betrachtet? Man kann nur vor Gott Rechenschaft ablegen und ihn dann darüber befinden lassen, was richtig und was falsch war. Ich glaube nicht, daß Sie am Tod Ihrer Frau Schuld tragen. Wir können das Böse, das manchmal unser Leben aus dem Gleichgewicht bringt, nicht erklären, und so geben wir entweder Gott oder uns selbst die Schuld daran. Beides ist falsch. Vielleicht ist es an der Zeit, daß Sie sich selbst aus Ihrem Gefängnis entlassen.«
Ich gab ihm keine Antwort.
»Möchten Sie, daß ich Ihnen die Absolution erteile?«
»Ja.«
»Wofür?«
»Ich weiß nicht. Für meine Unzulänglichkeit. Mein Versagen. Für all den Kummer und Schmerz, den ich unschuldigen Menschen bereitet habe. Besser kann ich’s nicht ausdrücken. Ich weiß nicht, wie ich’s beschreiben soll.«
Seine Unterarme ruhten auf den Oberschenkeln. Er schaute auf seine Stiefel, trotzdem konnte ich den traurigen Ausdruck in seinen Augen erkennen. Er holte tief Luft.
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen
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