Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
habe nicht den leisesten Beweis, daß sie sich nicht selber umgebracht hat. Im Gegenteil, alle Indizien sprechen dafür. Sie kann mit dem Kopf auf die Badewanne geschlagen sein. Die Blutergüsse kann sie sich sonstwo geholt haben. Vielleicht hören Sie es nicht gerne, aber die Indianer hier in der Gegend handeln sich jede Menge Ärger ein. Sie saufen sich die Hucke voll, zetteln Kneipenschlägereien an, und daheim prügeln sie sich gegenseitig die Scheiße aus dem Leib. Ich will nicht auf ihnen herumhacken, und ich habe auch nichts gegen sie. Ihre Chancen sind einfach lausig. So sieht’s nun mal aus. Sehen Sie, wenn ich jemand verdächtigen müßte, dann sicher Purcel. Aber ich glaub einfach nicht, daß er’s war. Der Kerl ist doch total mit den Nerven fertig wegen der Sache.«
»Was halten Sie von Sally Dio?«
»Sie nennen mir das Motiv und bringen ihn hinter Schloß und Riegel, dann unterschreibe ich den Haftbefehl.«
»Sie begehen einen schweren Fehler, Sheriff.«
»Sagen Sie mir, warum. Das erklären Sie mir bitte mal.«
»Sie machen es sich leicht und lassen die Dinge einfach laufen. Wenn die Dios wittern, daß jemand schwach ist, fressen sie ihn mit Haut und Haaren.«
Er zog eine tiefe Schublade ganz unten an seinem Schreibtisch auf und brachte einen Schlagstock zum Vorschein. Die schwarze Farbe war abgesplittert und der Griff an einer Drehbank nachträglich mit einer Kerbe und einem Loch versehen worden, damit man eine Lederschlaufe hindurchziehen konnte. Er ließ ihn geräuschvoll auf die Tischplatte fallen.
»Mein Vorgänger hat ihn mir überreicht, als ich mein Amt antrat«, sagte er. »›Es muß nicht gleich jeder in den Knast wandern‹, waren seine Worte. Und es gibt Tage, da gerate ich durchaus in Versuchung. Ich sehe Dio im Supermarkt und fange vor Wut an zu zittern. Die Gegend hier ist anständig. So jemand wie er hat hier nichts verloren. Aber ich schlage niemand den Schädel ein, und meinen Deputys gestatte ich es auch nicht. Wenn das jemand nicht paßt, ist das sein Problem.« Er drückte seine Zigarette aus, ohne mich anzusehen.
»Ich glaube, ich mach mich jetzt auf den Heimweg«, sagte ich und stand auf. Dann fiel mir plötzlich noch etwas ein. »Hat die Autopsie sonst noch was Außergewöhnliches ergeben?«
»Weder für mich noch für den Gerichtsmediziner.«
»Was noch?«
»Ich dachte, unser Gespräch wäre beendet.«
»Kommen Sie, Sheriff. Ich bin schon so gut wie weg.« Er blickte erneut auf sein Klemmbrett.
»Was sie zum Abendessen hatte, Samenspuren in der Vagina.«
Ich holte Luft und sah aus dem Fenster auf das elektrisierende Blau des in der Sonne liegenden Sees, auf die grünen Hügel und die Kiefernwälder dahinter. Dann rieb ich mir mit den Fingern über Augen und Nasenrücken und setzte meine Sonnenbrille auf.
»Was Cletus anbetrifft, da haben Sie aufs richtige Pferd gesetzt«, sagte ich.
»Von was reden Sie da?«
»Er war’s nicht. Er ist impotent. Sie wurde vergewaltigt, bevor man sie umgebracht hat.«
Er gab ein schnalzendes Geräusch von sich, lächelte in sich hinein, schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf und schlug dann den Sportteil seiner Zeitung auf.
»Sie müssen schon entschuldigen«, sagte er, »das ist die einzige Gelegenheit, die ich zum Lesen habe.«
Im Büro des Gerichtsmediziners erfuhr ich, daß Darlenes Angehörige am Morgen den Leichnam abgeholt hatten und die Beerdigung am nächsten Tag im Reservat der Schwarzfuß-Indianer stattfinden sollte. Da es ein Sonntag war, konnte ich Alafair mit über die Berge nach Dupuyer nehmen, das im südlichsten Zipfel des Reservats lag. Ein Anruf bei der Lokalzeitung brachte mir die Auskunft ein, daß die Totenmesse um 14 Uhr in einer Baptistenkirche am Marias River stattfand. Wir aßen zu Mittag in einem aus Brettern gezimmerten Café neben einer mit Ölflecken übersäten Tankstelle aus Bimssteinen. Ich hatte kaum Appetit, stocherte auf meinem Teller herum und schaute auf die staubige Straße hinaus, während Alafair ihren Hamburger vertilgte. In den Kneipen herrschte bereits Hochbetrieb. Rostzerfressene Pick-ups und hochrädrige Pritschenwagen standen schräg am Bordstein, und manchmal saßen ganze Familien in stoischer Ruhe davor und warteten auf ihr Oberhaupt, das sich in einer Spelunke amüsierte. Am Straßenrand hockten ein paar Typen, denen man ansah, daß sie in der vergangenen Nacht ihren letzten Cent in Schnaps umgesetzt hatten; ihre leeren Blicke verloren sich im Nirgendwo, und ihre Münder
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