Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
eingestellt, wenn Randy seine Mitternachtssendung mit »Sewannee River Boogie« eröffnete. Jeder Morgen gebar neue Erwartungen, und aus dem rauchigen Licht zwischen den Pecanobäumen näherten sich sowohl unschuldiges Begehren als auch die Gewißheit, daß ich binnen weniger Stunden wieder mit ihr Zusammensein würde und uns nichts auf der Welt je auseinanderbringen könnte. Doch es scheiterte an einer kindischen Lappalie. Ungewollt und auf eine Weise, die ich weder mir noch ihr erklären konnte, verletzte ich sie, und durch mein anschließendes Schweigen tat ich ihr derart unrecht, daß ich gelegentlich auch heute nur ungern daran denke.
Trotzdem werde ich diesen Sommer nie vergessen. Er ist wie eine Kathedrale, die ich manchmal aufsuche, wenn alles andere versagt, wenn mein Herz wie vergiftet ist, die Welt in Trümmern, und wenn tote Blätter wie vergilbtes Pergament an die Fenster meiner Seele wehen.
Mein Leben hatte mich gelehrt, daß Leid und Verlust im Laufe der Zeit nicht leichter werden und daß es weder den Lebenden noch den Toten nützt, wenn man sich der Trauer hingibt. Am nächsten Morgen war ich wieder bei der Bezirksverwaltung von Lake County.
Der Sheriff sah hart und rund wie ein Holzfaß aus. Sein dunkelblauer Anzug war voller Wasserflecken von seinen untauglichen Bemühungen, abgefallene Zigarettenasche mit einem feuchten Papierhandtuch wegwischen zu wollen; sein graues Haar hatte er sich zu einem Messerschnitt stutzen lassen, und die Revers seines Hemdes waren so gebügelt, daß die Brusthaare wie Drahtgeflecht vorstanden. Er war ein gewählter Gesetzeshüter und vorher vermutlich Autoschlosser oder Fahrer eines Holztransporters gewesen, bevor ihn jemand überredet hatte, für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Während wir uns unterhielten, saß er auf der Kante seines Schreibtischs, ließ sich eine Zigarette schmecken und blickte so gedankenverloren auf den See hinaus, daß ich den Eindruck hatte, er wisse bereits, was bei unserem Gespräch herauskommen werde, und gebe sich nur deshalb mit mir ab, weil es gut fürs öffentliche Ansehen seiner Behörde sei.
»Sie waren beim Morddezernat in New Orleans?« sagte er.
»So ist es.«
»Danach im Büro des Sheriffs von ... wie heißt der Ort noch mal?«
»New Iberia. Wo die Tabascosoße hergestellt wird.« Ich lächelte ihn an, aber er blickte durch den Zigarettenqualm auf den blau glitzernden See.
»Kennen Sie einen Drogenfahnder namens Dan Nygurski?«
»Ja.«
»Er war gestern hier und sagte, ich sollte mich darauf einstellen, daß Sie hier aufkreuzen.« »Verstehe.«
»Ferner sagte er, daß ich Ihnen raten soll, nach Louisiana zurückzukehren. Was halten Sie davon?«
»Ratschläge kosten nichts.«
»Möchten Sie wissen, was der Gerichtsmediziner festgestellt hat?«
Mein Atem ging schwerer. »Ja, Sir, das möchte ich«, sagte ich.
»Weil Sie glauben, daß sie ermordet wurde.«
»So ist es.«
»Weswegen? Wer hatte einen Grund, sie zu töten?«
»Werfen Sie mal einen Blick auf Sally Dios Vorstrafenregister. Und überprüfen Sie auch Harry Mapes.« Ich spürte, wie mir ein Brennen die Kehle hochkroch, deshalb wartete ich einen Moment, bevor ich weitersprach. »Ich würde mir auch ein paar Gedanken über Purcel machen.«
»Wenn ich mal von dem ausgehen darf, was man mir mitgeteilt hat, dann sind das alles Leute, mit denen Sie irgendwann einmal Ärger hatten. Meinen Sie, Sie verhalten sich hier völlig objektiv?«
»Die Dios sind Tiere. Mapes auch. Purcel hat für einen Haufen paramilitärischer Wirrköpfe in New Orleans einen Mann umgelegt. Ich würde keinen von denen unterschätzen.«
»Warum hätte Purcel sie töten sollen?«
Zum erstenmal sah er mich interessiert an. Ich senkte den Blick. Dann sah ich ihn an.
»Ich hatte etwas mit Darlene«, sagte ich. »Er wußte drüber Bescheid.«
Der Sheriff nickte, sagte aber nichts. Er öffnete die Schublade seines Schreibtisches und holte ein Klemmbrett mit etlichen Fotokopien von Formbögen hervor, wie sie Gerichtsmediziner bei Autopsien verwenden.
»Sie hatten recht mit den Blutergüssen«, sagte er. »Sie hatte welche am Hals und auf den Schultern.«
Ich wartete, daß er weitersprach.
»Sie hatte außerdem eine Beule am Hinterkopf«, sagte er.
»Und?«
»Trotzdem wird auf dem Totenschein Selbstmord stehen.«
»Was?«
»Sie haben mich schon verstanden.«
»Was ist mit Ihnen los? Wollen Sie Ihren eigenen Autopsiebericht unberücksichtigt lassen?«
»Hören Sie, Robicheaux, ich
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