Black Coffee
blickte ihm fest in die Augen. »Und ich bin verschuldet. Das willst du doch damit sagen, ja?«
Sir Claud antwortete ihm nicht. Er sah die anderen der Reihe nach an und fuhr dann fort: »Wie gesagt, Richard blieb einige Minuten im Arbeitszimmer. Er kam erst wieder hierher in die Bibliothek zurück, als Lucia eintrat. Einige Minuten später wurde zum Abendessen gerufen, doch da war Lucia nicht mehr bei uns. Ich habe sie im Arbeitszimmer vor dem Safe angetroffen.«
»Vater!« rief Richard. Er ging zu seiner Frau und legte schützend den Arm um sie.
»Ich wiederhole, vor dem Safe«, sprach Sir Claud unbeirrt weiter. »Sie kam mir sehr erregt vor, und als ich sie fragte, was los sei, antwortete sie mir, sie fühle sich nicht wohl. Ich empfahl ihr ein Gläschen Wein, aber da versicherte sie mir, es gehe ihr schon wieder besser, worauf sie mich verließ und wieder zu den anderen hinausging. Ich selbst bin Lucia nun nicht sofort zum Speisezimmer gefolgt, sondern noch in meinem Arbeitszimmer geblieben. Ich weiß nicht warum, aber ein Gefühl riet mir, noch einmal in den Safe zu sehen. Da war der Umschlag mit der Formel verschwunden.«
Schweigen. Keiner sagte etwas. Allen schien jetzt der ungeheure Ernst der Situation aufzugehen. Schließlich fragte Richard: »Woher weißt du eigentlich so genau über unser jeweiliges Kommen und Gehen Bescheid, Vater?«
»Durch Nachdenken natürlich«, antwortete Sir Claud.
»Durch Beobachtungen und Schlußfolgerungen. Durch eigenen Augenschein und durch meine Fragen an Treadwell.«
»Ich stelle fest, daß du weder Treadwell noch andere vom Personal in den Kreis deiner Verdächtigen einbeziehst, Claud«, bemerkte Caroline Amory spitz. »Nur deine eigene Familie.«
»Meine Familie – und unseren Gast«, berichtigte ihr Bruder sie. »So ist es, Caroline. Ich habe mich hinreichend davon überzeugt, daß weder Treadwell noch sonst einer der Dienstboten zwischen dem Zeitpunkt, als ich die Formel in den Safe tat, und dem, als ich den Safe wieder öffnete und ihr Verschwinden bemerkte, mein Arbeitszimmer betreten hat.«
Sir Claud sah einen nach dem anderen an, bevor er weitersprach: »Die Situation ist hoffentlich allen klar. Wer die Formel gestohlen hat, muß sie noch haben. Nach dem Essen sind wir alle wieder hierhergekommen, und das Speisezimmer wurde schon gründlich durchsucht. Wenn das Papier dort irgendwo versteckt gewesen wäre, hätte Treadwell mir Bescheid gegeben. Und wie ihr jetzt wißt, habe ich dafür gesorgt, daß niemand die Möglichkeit hatte, diesen Raum zu verlassen.«
Eine angespannte Stille trat ein, die eine kleine Weile anhielt, bis Dr. Carelli sie mit der höflichen Frage brach: »Schlagen Sie demnach vor, Sir Claud, daß wir uns alle durchsuchen lassen?«
»Nein, das schlage ich nicht vor«, erwiderte Sir Claud mit einem erneuten Blick auf seine Uhr. »Es ist jetzt zwei Minuten vor neun. Monsieur Hercule Poirot wird inzwischen in Market Cleve angekommen und vom Bahnhof abgeholt worden sein. Treadwell wurde von mir angewiesen, um Punkt neun Uhr über die Hauptsicherung im Keller alle Lichter zu löschen. Wir werden hier in völliger Dunkelheit sitzen, und zwar genau eine Minute lang, nicht mehr, nicht weniger. Wenn das Licht wieder angeht, habe ich die Dinge nicht mehr in der Hand. Dann übernimmt Monsieur Poirot, der in Kürze hier eintreffen wird. Sollte die Formel jedoch im Schutz der Dunkelheit hier abgelegt werden –« Sir Claud schlug mit der Hand auf den Tisch –, »werde ich Monsieur Poirot mitteilen, daß ich mich geirrt habe und seine Dienste nicht benötige.«
»Das ist ein unerhörter Vorschlag«, erklärte Richard hitzig. Er blickte in die Runde. »Meiner Meinung nach sollten wir uns alle durchsuchen lassen. Ich bin jedenfalls dazu bereit.«
»Ich natürlich auch«, beeilte sich Edward Raynor zu versichern.
Richard Amory sah bedeutungsvoll zu Dr. Carelli, der lächelnd die Achseln zuckte. »Ich ebenfalls.«
Richards Blick wanderte weiter zu seiner Tante. »Nun gut – was sein muß, muß sein«, grollte Miss Amory.
»Lucia?« wandte Richard sich an seine Frau.
»Nein, nein, Richard«, hauchte Lucia. »Ich finde den Vorschlag deines Vaters besser.«
Richard sah sie eine Weile schweigend an.
»Nun, Richard?« fragte Sir Claud.
Richards erste Antwort war nur ein tiefer Seufzer. Dann sagte er: »Also gut, einverstanden.« Er schaute zu seiner Kusine Barbara, die zustimmend nickte.
Sir Claud lehnte sich müde in seinem Lehnstuhl zurück
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