Black Coffee
Amory ihn dazu einlud.«
»Welchen Eindruck haben Sie persönlich von Dr. Carelli?« fragte Poirot.
»Dr. Carelli«, antwortete der Butler hochnäsig, »ist keiner von uns, Sir.«
Poirot, der Treadwells Aussage nicht ganz verstand, blickte fragend zu Hastings, der sich abwandte, um ein Lächeln zu verbergen. Poirot bedachte seinen Kollegen mit einem Blick gelinden Tadels und wandte sich dann wieder an den Butler, dessen Miene vollkommen ernst geblieben war.
»Ging es Ihrem Gefühl nach nicht ganz mit rechten Dingen zu«, fragte der Detektiv, »wie dieser Dr. Carelli ins Haus kam?«
»Genauso ist es, Sir. Es war irgendwie unnatürlich. Und mit seiner Ankunft fingen die ganzen Umstände an – daß Sir Claud mich am Spätnachmittag bei Ihnen anrufen ließ, daß er mich anwies, die Tür abzuschließen... Auch Mrs. Richard Amory schien den ganzen Abend nicht sie selbst zu sein. Sie hat sogar den Eßtisch verlassen. Mr. Richard war darüber ganz außer sich.«
»Aha«, sagte Poirot. »Sie hat also den Eßtisch verlassen. Ist sie daraufhin hierher in die Bibliothek gekommen?«
»Ja, Sir«, antwortete Treadwell.
Poirot sah sich um. Sein Blick blieb an der Handtasche hängen, die Lucia auf dem Tisch stehengelassen hatte.
»Wie ich sehe, hat eine der Damen ihre Handtasche vergessen«, sagte er und nahm sie an sich.
Treadwell ging hin, um sich die Tasche anzusehen.
»Sie gehört Mrs. Richard Amory, Sir.«
»Richtig«, bestätigte Hastings. »Sie hat sie da abge-stellt, kurz bevor sie aus dem Zimmer ging, das habe ich gesehen.«
»Kurz bevor sie aus dem Zimmer ging, so, so«, meinte Poirot. »Seltsam.« Er stellte die Handtasche aufs Sofa, zog verwundert die Stirn kraus und schien tief in Gedanken.
»Was das Abschließen der Tür betrifft, Sir«, fuhr Treadwell nach einer kleinen Pause fort, »hat Sir Claud zu mir gesagt –«
Plötzlich erwachte Poirot aus seinem Tagtraum und unterbrach den Butler. »Ja, ja«, sagte er, »das will ich alles wissen. Gehen wir da hinein.« Er zeigte auf die Tür zum Arbeitszimmer.
Treadwell öffnete die Tür, und Poirot folgte ihm.
Hastings aber erklärte mit wichtiger Miene: »Ich werde wohl lieber hierbleiben.«
»Nein, nein.« Poirot drehte sich um und warf seinem Kollegen einen spöttischen Blick zu. »Sie kommen bitte auch mit.«
»Aber fänden Sie es nicht besser –« begann Hastings, doch Poirot fiel ihm ins Wort. »Ich brauche Ihre Mitar-beit, mein Freund«, sagte er bedeutungsvoll.
»Nun, wenn das so ist, natürlich...«
Die drei verließen die Bibliothek und machten die Tür hinter sich zu. Schon nach wenigen Sekunden wurde die Dielentür vorsichtig geöffnet, und Lucia kam in die Bibliothek geschlichen. Nach einem raschen Blick in die Runde, wie um sich zu vergewissern, daß außer ihr niemand da war, ging sie zu dem runden Tisch und nahm Sir Clauds Kaffeetasse an sich. Dabei trat ein har-ter, verschlagener Blick in ihre Augen, der ihr sonst so unschuldiges Gesicht Lügen strafte und sie um Jahre älter aussehen ließ.
Lucia stand noch mit der Tasse in der Hand in der Zimmermitte, als wüßte sie nicht recht, was sie damit machen sollte, als plötzlich die Arbeitszimmertür aufging und Poirot allein in die Bibliothek zurückkam.
»Sie gestatten, Madame«, sagte er zu Lucias heftigem Erschrecken. Er ging auf sie zu und nahm ihr die Tasse aus der Hand, scheinbar aber nur aus reiner Höflichkeit.
»Ich – äh – bin wegen meiner Tasche wiedergekom-men«, stieß Lucia atemlos hervor.
»Ach so, ja«, sagte Poirot. »Mal überlegen. Wo habe ich vor kurzem eine Damenhandtasche gesehen? Richtig, dort drüben.« Er ging zum Sofa, nahm die Tasche und gab sie ihr.
»Vielen Dank«, sagte Lucia mit abwesendem Blick.
»Keine Ursache, Madame.«
Lucia schenkte Poirot ein flüchtiges Lächeln und eilte aus der Bibliothek. Nachdem sie fort war, blieb Poirot noch ein paar Sekunden still stehen, dann hielt er sich die Tasse unter die Nase, um vorsichtig daran zu schnuppern. Er nahm ein Glasröhrchen aus seiner Jakkentasche, goß etwas von dem Kaffeesatz hinein, stellte die Tasse wieder an ihren Platz, verschloß das Röhrchen mit einem kleinen Stopfen, steckte es wieder in die Tasche und sah sich weiter um, wobei er laut die Tassen zählte: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. Stimmt. Sechs Kaffeetassen.«
Wieder wollte er die Stirn in verwunderte Falten legen, als in seinen Augen plötzlich dieses grüne Licht aufleuchtete, das immer seine innere Erregung
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