Black Coffee
lachte. »Lieber Monsieur Poirot, was für ein ulkiges Mißverständnis! Jetzt begreife ich natürlich, was Ihre Fragen sollten. Ja, ich erinnere mich gut an Baronne de Giers, auch an ihre Tochter. Die Tochter war ein ziemlich langweiliges Mädchen, aber die Mutter faszinierte mich. Ich war fast ein bißchen verliebt in sie und bin verschiedene Male mit ihr spazierengegangen. Meine Zuneigung hat sie wohl amüsiert. Und so ist zweifellos dieses Mißverständnis entstanden. Da hat mich wohl jemand für die Tochter der Baronin gehalten.« Lucia lehnte sich entspannt auf ihrem Stuhl zurück.
Poirot nickte langsam, sichtlich zu Lucias großer Erleichterung. Plötzlich aber beugte der Detektiv sich über den Tisch und sagte: »Ich dachte, Sie waren noch nie in Genua.«
Lucia war so überrumpelt, daß sie erst einmal nach Luft schnappen mußte. Sie starrte Poirot, der soeben sein Notizbuch wieder in einer Innentasche seines Jacketts verschwinden ließ, böse an. »Sie haben gar kein Foto!«
sagte sie, und es klang nur halb nach einer Frage.
»Nein«, gestand Poirot. »Ich habe kein Foto, Madame. Ich kannte nur den Namen, unter dem Selma Goetz in Genua aufgetreten ist. Das übrige – mein Freund und seine Fotografiererei – das war alles nur eine harmlose kleine Erfindung von mir.«
Lucia sprang auf; in ihren Augen blitzte Zorn. »Sie haben mir eine Falle gestellt!« rief sie wütend.
Poirot zuckte die Achseln. »Ja, Madame«, bestätigte er.
»Leider hatte ich keine andere Wahl.«
»Und was hat das alles mit Sir Clauds Tod zu tun?«
fragte Lucia, aber eher sich selbst, während sie wild im Zimmer umherblickte.
Poirot schlug einen völlig gleichgültigen Ton an, als er, statt zu antworten, eine neue Frage stellte. »Madame«, begann er, schnippte dann aber zuerst noch ein unsichtbares Stäubchen von seinem Jackett. »Stimmt es, daß Ihnen vor kurzem ein kostbares Diamantcollier abhanden gekommen ist?«
Lucia funkelte ihn an. »Ich muß Sie wieder fragen«, stieß sie mit gepreßter Stimme hervor, »was das mit Sir Clauds Tod zu tun hat.«
Poirot sprach langsam und bedächtig. »Zuerst wird ein Diamantcollier gestohlen, dann verschwindet eine wissenschaftliche Formel. Beides dürfte viel Geld einbringen.«
»Was soll das heißen?« keuchte Lucia.
»Es soll heißen, Madame, daß ich von Ihnen gern eine Antwort auf folgende Frage hätte: Wieviel verlangt Dr. Carelli – diesmal?«
Lucia wandte sich von ihm ab. »Ich – ich beantworte jetzt keine Fragen mehr«, sagte sie leise.
»Weil Sie Angst haben?« Poirot ging auf sie zu.
Lucia drehte sich wieder zu ihm um und warf trotzig den Kopf zurück. »Nein«, sagte sie fest, »ich habe keine Angst. Ich weiß nur nicht, wovon Sie reden.
Warum sollte Dr. Carelli Geld von mir verlangen?«
»Für sein Schweigen«, antwortete Poirot. »Die Amorys sind eine stolze Familie, und sicher wollten Sie ihr nicht auf die Nase binden, daß Sie – Selma Goetz' Tochter sind!«
Lucia blitzte Poirot ein paar Sekunden böse an, ohne etwas zu erwidern. Dann aber ließ sie plötzlich die Schultern hängen, sank auf einen Stuhl und schlug die Hände vors Gesicht. Es dauerte über eine Minute, bis sie mit einem lauten Seufzer wieder aufsah. »Weiß Richard es schon?« fragte sie leise.
»Noch nicht, Madame«, antwortete Poirot langsam.
Mit verzweifelt flehender Stimme rief Lucia: »Sagen Sie es ihm nicht, Monsieur Poirot! Bitte, sagen Sie es ihm nicht! Er ist so stolz auf den Namen seiner Familie, so stolz auf seine Ehre! Es war gemein von mir, ihn zu heiraten. Aber mir ging es so elend. Ich haßte dieses Leben, dieses schreckliche Leben, das ich an der Seite meiner Mutter zu fuhren gezwungen war. Ich fühlte mich beschmutzt. Aber was konnte ich tun? Und als Mama dann starb, war ich endlich frei! Frei, ein ehrliches Leben zu führen. Frei, dieses Leben der Lügen und Intrigen hinter mir zu lassen. Ich lernte Richard kennen. Es war das Schönste, was mir je widerfahren war. Richard trat in mein Leben. Ich liebte ihn, und er wollte mich heiraten. Wie hätte ich ihm sagen können, wer ich war? Warum hätte ich es ihm sagen sollen?«
»Und dann«, half Poirot sanft nach, »hat Carelli Sie irgendwo mit Monsieur Amory erkannt und angefangen, Sie zu erpressen?«
»Ja, aber ich hatte doch gar kein eigenes Geld«, flüsterte Lucia. »Da habe ich das Collier verkauft, um ihn zu bezahlen. Ich dachte, es wäre damit erledigt. Aber gestern ist er dann hier aufgekreuzt. Er hatte von der
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