Black Coffee
Richard hat er richtig schlecht behandelt, und Lucia hat er auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen, als Richard sie als seine Braut aus Italien mitbrachte. Dabei ist Lucia so lieb und für Richard genau die Richtige.«
»Barbara, Liebling, ich muß dich aber etwas fragen. Und ich verspreche dir, daß alles, was du mir sagst, unter uns bleibt. Notfalls werde ich mich auch schützend vor dich stellen. Aber sag mir, weißt du etwas – irgendetwas – über den Tod deines Onkels? Hast du zum Beispiel Grund zu der Vermutung, daß Richard – vielleicht aus Verzweiflung über seine finanzielle Situation – daran gedacht haben könnte, seinen Vater umzubringen, um schon jetzt zu bekommen, was er später ohnehin geerbt hätte?«
»Ich möchte dieses Gespräch nicht fortsetzen, Kenny. Ich dachte, du wolltest dich hier mit mir treffen, um mir kleine Nettigkeiten ins Ohr zu flüstern, nicht um meinen Vetter des Mordes zu bezichtigen.«
»Liebling, ich bezichtige Richard doch gar nicht. Aber du mußt zugeben, daß etwas faul ist. Richard will nicht, daß die Polizei den Tod seines Vaters untersucht. Man sollte fast meinen, er fürchtet sich vor dem, was dabei herauskommen könnte. Natürlich kann er gar nichts dagegen tun, daß die Polizei sich einschaltet, aber er hat keinen Zweifel daran gelassen, wie wütend er auf mich ist, weil ich eine amtliche Untersuchung in die Wege geleitet habe. Dabei habe ich doch nur meine Pflicht als Arzt getan. Wie hätte ich denn einen Totenschein ausstellen können, auf dem steht, daß Sir Claud an einem Herzschlag gestorben ist? Mein Gott, sein Herz war kerngesund, als ich ihn vor zwei Wochen das letzte Mal untersucht habe.«
»Ich will davon jetzt nichts mehr hören, Kenny. Ich gehe wieder ins Haus. Du findest doch allein den Weg durch den Garten, ja? Wir sehen uns mal wieder.«
»Barbara, ich will doch nur –« Aber sie war schon fort, und Dr. Graham seufzte so tief, daß es schon fast wie ein Stöhnen klang. Hastings hielt es in diesem Augenblick für ratsam, sich schnell wieder ins Haus zu verziehen, bevor er von einem der beiden entdeckt wurde.
14
Erst nachdem er den widerstrebenden Hastings nach draußen bugsiert und gewissenhaft die Terrassentür geschlossen hatte, wandte Hercule Poirot seine Aufmerksamkeit wieder Lucia Amory zu.
Lucia sah ihn ängsdich an. »Sie wollen mich nach meiner Zofe befragen, wenn ich richtig verstanden habe, Monsieur Poirot?« fragte sie. »So hat Mr. Raynor es mir jedenfalls ausgerichtet. Aber sie ist ein gutes Mädchen. Sie hat bestimmt nichts zu verbergen.«
»Madame«, erwiderte Poirot, »ich möchte keineswegs mit Ihnen über Ihre Zofe sprechen.«
»Aber –« stammelte Lucia betroffen – »Mr. Raynor hat gesagt–«
Poirot unterbrach sie: »Ja, ich habe Mr. Raynor aus bestimmten Gründen in diesem Glauben gelassen.«
»Also, worum geht es?« fragte Lucia, jetzt erkennbar auf der Hut.
»Madame«, sagte Poirot, »Sie haben mir gestern ein sehr schönes Kompliment gemacht. Sie sagten, Sie hätten mir auf den ersten Blick vertraut.«
»Und?«
»Ich bitte Sie, mir jetzt zu vertrauen, Madame.«
»Was meinen Sie damit?«
Poirot blickte sie ernst an. »Sie sind jung, Madame. Sie sind schön, Sie werden verehrt und geliebt – alles, was eine Frau sich nur wünschen kann. Aber eines fehlt Ihnen – ein Beichtvater. Gestatten Sie Papa Poirot, sich für diese Rolle zu empfehlen.«
Lucia wollte etwas sagen, aber Poirot kam ihr zuvor.
»Denken Sie jetzt bitte gut nach, bevor Sie ablehnen, Madame. Ich bin auf Ihren Wunsch hiergeblieben. Hiergeblieben, um Ihnen zu Diensten zu sein. Ich möchte Ihnen immer noch zu Diensten sein.«
Plötzlich ging mit Lucia das Temperament durch. »Sie können mir am besten zu Diensten sein, Monsieur, wenn Sie jetzt gehen«, versetzte sie.
»Madame«, fuhr Poirot unbeirrt fort, »wissen Sie schon, daß die Polizei eingeschaltet wurde?«
»Die Polizei?«
»Ja.«
»Aber von wem? Und warum?«
»Dr. Graham und seine Kollegen haben festgestellt, daß Sir Claud Amory vergiftet wurde«, sagte Poirot.
»O nein, nein, nicht das!« rief Lucia, und es klang mehr nach Angst als nach Überraschung.
»Doch, Madame. Sie sehen also, daß Ihnen wenig Zeit zum Überlegen bleibt, wie Sie sich nun am klügsten verhalten. Zur Zeit stehen meine Dienste noch Ihnen zur Verfügung. Später werde ich sie vielleicht der Gerechtigkeit zur Verfügung stellen müssen.«
Lucia sah ihm forschend ins Gesicht, als versuchte sie
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