Black Coffee
einen Schritt näher und sagte erregt: »Mrs. Amorys italienische Zofe. Die hat sie aus Italien mitgebracht, ein sehr hübsches Mädchen. Vittoria Muzio heißt sie. Könnte sie vielleicht die Tochter von Selma Goetz sein?«
»Oh, das wäre eine Idee.« Poirot schien beeindruckt.
»Ich schicke sie gleich mal zu Ihnen«, sagte Raynor und wollte sich schon zum Gehen wenden.
Poirot erhob sich. »Nein, halt, Moment noch. Wir sollten sie vor allem nicht mißtrauisch machen. Lassen Sie mich zuvor mit Madame Amory sprechen. Sie wird mir über dieses Mädchen sicher etwas sagen können.«
»Da haben Sie vielleicht recht«, stimmte Raynor ihm zu. »Ich gebe Mrs. Amory gleich Bescheid.«
Der Sekretär verließ die Bibliothek mit einer Miene finsterer Entschlossenheit, und kaum war er draußen, kam Hastings aufgeregt zu Poirot. »Das ist es, Poirot! Carelli und diese italienische Zofe stecken unter einer Decke, sie arbeiten zusammen für eine fremde Macht. Meinen Sie nicht auch?«
Poirot war so tief in Gedanken, daß er seinem Kollegen keine Beachtung schenkte.
»Poirot! Meinen Sie das nicht auch? Ich sagte, Carelli und diese Zofe stecken bestimmt unter einer Decke.«
»Ja, ja, mein Freund, genau das habe ich von Ihnen erwartet.«
Hastings machte ein gekränktes Gesicht. »Also bitte, welche Lösung haben Sie denn anzubieten?« fragte er beleidigt.
»Es wären noch etliche Fragen zu beantworten, mein lieber Hastings. Warum wurde vor zwei Monaten Madame Amorys Diamantcollier gestohlen? Warum wollte sie nicht, daß jemand die Polizei einschaltet? Warum –?«
Er unterbrach sich, als Lucia Amory, ihre Handtasche unterm Arm, das Zimmer betrat. »Ich höre, Sie wollen mich sprechen, Monsieur Poirot?« fragte sie.
»Ja, Madame. Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen.« Er deutete auf einen der Stühle am Tisch.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
Während Lucia hinging und sich setzte, wandte Poirot sich an Hastings. »Der Garten draußen ist sehr schön, mein Freund«, sagte er, und dabei nahm er Hastings am Arm, um ihn mit sanfter Gewalt zur Terrassentür zu führen. Hastings schien wenig geneigt, von der Szene abzutreten, aber Poirot ließ nicht locker. »Doch, mein Freund. Genießen Sie die Schönheit der Natur. Man sollte sich nie eine Gelegenheit entgehen lassen, die Schönheit der Natur zu bewundern.«
Nicht freiwillig, aber ergeben ließ Hastings sich zur Tür hinausschieben, und da der Tag so schön warm und sonnig war, beschloß er, das Beste daraus zu machen und den Garten der Familie Amory zu erkunden. Er schlenderte über den Rasen zu der Hecke hinüber, hinter der ein sehr einladender Ziergarten seiner harrte.
Während er an dieser Hecke entlangspazierte, vernahm er auf einmal Stimmen, zwei Stimmen, die er beim Näherkommen als die von Barbara Amory und Dr. Graham erkannte. Die beiden schienen im trauten Tete-à-tete auf einer Bank hinter der Hecke zu sitzen, und in der Hoffnung, etwas über Sir Amorys Tod oder das Verschwinden der Formel in Erfahrung zu bringen, was für Poirot nützlich sein könnte, blieb Hastings stehen und lauschte.
»... völlig klar, daß er meint, seine schöne junge Kusine könnte etwas Besseres finden als einen kleinen Landarzt. Deshalb auch seine mangelnde Begeisterung darüber, daß wir uns treffen«, sagte Kenneth Graham gerade.
»Ach ja, ich weiß, Richard ist manchmal richtig rückständig und führt sich auf, als wäre er doppelt so alt«, antwortete Barbara. »Aber du solltest dich davon nicht beeindrucken lassen, Kenny. Mir ist er jedenfalls gleichgültig.«
»Klar, das tue ich ja auch nicht«, sagte Dr. Graham.
»Aber sieh mal, Barbara, eigentlich wollte ich mich hier mit dir treffen, um unter vier Augen mit dir zu reden, ohne daß einer von der Familie es sieht oder hört. Ich muß dir vor allem sagen: Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, daß dein Onkel gestern abend vergiftet wurde.«
»So?« meinte Barbara gelangweilt.
»Überrascht scheinst du nicht gerade zu sein.«
»Ach Gott, es mag mich vielleicht überraschen. Schließlich wird einem nicht alle Tage die Verwandtschaft vergiftet. Aber ich muß zugeben, daß sein Tod mir nicht allzu nahegeht. Ich glaube, ich bin sogar froh darüber.«
»Barbara!«
»Jetzt tu doch bitte nicht deswegen überrascht, Kenny. Du hast mich schon unzählige Male über diesen fiesen alten Du-weißt-schon herziehen hören. Er hatte für uns alle nie viel übrig, immer nur für seine doofen Experimente.
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