Black Dagger 01 - Nachtjagd
war etwa fünfzig mal fünfzig Zentimeter groß und zehn Zentimeter dick. Knurrend legte er sie mitten im Zimmer auf den Boden. Dann ging er zurück zu der Truhe, entnahm ihr einen Samtbeutel und warf ihn auf das Bett.
Er zog sich aus, duschte und rasierte sich und ging dann immer noch nackt zurück in den Raum. Erst jetzt zog er die seidene Schleife des Beutels auf und schüttete die kieselsteingroßen Rohdiamanten auf die Tafel. Der leere Samtbeutel glitt ihm aus der Hand und schwebte zu Boden.
Wrath neigte den Kopf und sprach die Worte seiner Muttersprache, sanft hoben und senkten sich die Silben mit seinem Atem, während er dem Toten die Ehre erwies. Als er die Elegie beendet hatte, kniete er sich auf die Tafel. Er spürte, wie sich die Steine in sein Fleisch bohrten. Langsam verlagerte er sein Gewicht mehr auf die Fersen, legte die Handflächen auf seine Oberschenkel und schloss die Augen.
Das Totenritual verlangte, dass er den gesamten Tag regungslos verbrachte, dass er den Schmerz ertrug, dass er in Erinnerung an seinen Freund blutete.
Vor seinem geistigen Auge sah er Darius’ Tochter.
Er hätte nicht einfach so in ihre Wohnung gehen sollen. Immerhin hatte er sie halb zu Tode erschreckt, obwohl er sich doch eigentlich nur vorstellen und ihr erklären wollte, warum sie bald seine Hilfe brauchen würde. Außerdem hatte er ihr noch versichern wollen, dass er sich diesen Kerl vorknöpfen würde, der sich mit ihr angelegt hatte.
O ja, das hatte er wirklich großartig gemacht. So einfühlsam wie ein Tanklaster.
Sie war vor Schreck fast durchgedreht, als er ins Zimmer kam, und er hatte ihre Erinnerung löschen und sie in eine leichte Trance versetzen müssen, um sie wieder zu beruhigen. Nachdem er sie auf ihr Bett gelegt hatte, wollte er eigentlich wieder verschwinden, doch er konnte einfach nicht. Stattdessen hatte er sie betrachtet, den verschwommenen Gegensatz zwischen dem schwarzen Haar und dem weißen Kissen aufgenommen, ihren Duft eingeatmet.
Eine sexuelle Regung in seinen Lenden verspürt.
Bevor er ihre Wohnung endgültig verließ, hatte er noch gewissenhaft alle Türen und Fenster verschlossen. Dann hatte er noch einen letzten Blick auf sie geworfen und an ihren Vater gedacht.
Wrath konzentrierte sich auf den Schmerz, der bereits in seinen Oberschenkeln einsetzte.
Sein Blut färbte die Marmortafel rot, und darin konnte er das Gesicht des toten Kriegers sehen. Er spürte das Band, das zu Lebzeiten zwischen ihnen bestanden hatte.
Es war seine Pflicht, den letzten Wunsch seines Bruders zu erfüllen. Zumindest das schuldete er ihm nach all den Jahren, die sie zusammen der Vampirrasse gedient hatten.
Halb Mensch oder nicht, Darius’ Tochter würde nie mehr ungeschützt durch die Nacht gehen müssen. Und sie würde auch ihre Wandlung nicht allein durchstehen müssen.
Gott steh uns bei.
Gegen sechs Uhr morgens war Butch mit Billy Riddles Bericht fertig. Ganz offensichtlich nahm der Kerl Anstoß an den Drogendealern und Schlägern, mit denen er vorübergehend die Zelle auf dem Revier teilen musste, weswegen Butch sich bemühte, so viele Tippfehler wie nur möglich in seinem Bericht zu machen. Und es war kaum zu fassen, aber das Computersystem gab ihm doch ständig widersprüchliche Anweisungen, welche Formulare genau denn nun ausgefüllt werden mussten.
Und dann hatten auch noch die Drucker ihren Geist aufgegeben. Alle dreiundzwanzig.
Trotz alledem würde Riddle nicht allzu lange auf der Polizei bleiben müssen. Sein Vater war tatsächlich ein mächtiger Mann, ein Senator. Sprich, irgendein gewiefter Staranwalt würde ihn in null Komma nichts hier herausholen. Wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunde.
Geld regiert die Welt, und es brachte auch solche Dreckskerle zurück in die Freiheit.
Nicht, dass Butch verbittert gewesen wäre, ach woher.
Als er in die Eingangshalle kam, traf er zufällig einen ihrer Stammgäste auf der Wache. Cherry Pie war offenbar gerade nach einer Nacht in der Zelle aus dem Frauentrakt entlassen worden. Eigentlich hieß sie Mary Mulcahy, und soweit Butch wusste, arbeitete sie schon seit etwa zwei Jahren auf dem Straßenstrich.
»Hallöchen, Detective«, schnurrte sie. Ihr roter Lippenstift klebte in den Mundwinkeln, und der schwarze Eyeliner war verschmiert. Sie hätte richtig hübsch sein können, stellte er fest, wenn sie die Crackpfeife wegwerfen und ungefähr einen Monat durchschlafen würde. »Willst du ganz allein nach Haus?«
»Wie immer.« Er hielt ihr
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