Black Dagger 01 - Nachtjagd
lässt sich nur durch Fütterung bekämpfen.
Ein luftdichter Prozess in Kombination mit einer ausreichenden Menge menschlichen Blutes, und schon hatte er seine lebendigen Zellen. Er sah durch das Mikroskop zu, wie die Vampirzellen – größer und unregelmäßiger geformt als die menschlichen – verzehrten, was er ihnen vorgesetzt hatte. Die menschlichen Blutkörperchen verringerten sich zusehends in der Probe, und wenn sie erst ganz aufgebraucht wären, würde auch die Lebensfähigkeit der Vampirbestandteile wieder rapide abnehmen. Dessen war er sich absolut sicher.
Jetzt musste er nur noch einen klinischen Test machen. Er würde eine Blutprobe eines weiblichen Vampirs nehmen, mit der entsprechenden Menge menschlichen Blutes mischen und sich die Mischung selbst injizieren.
Wenn alles gut ging, würde er ein Spenderprogramm ins Leben rufen. Viele Patienten könnten gerettet werden. Und jene, die lieber auf die Intimität des Trinkens verzichteten, konnten künftig in Ruhe und Frieden leben.
Havers sah vom Mikroskop auf; er musste bereits seit geschlagenen zwanzig Minuten auf die Zellen starren. Der Salat, den er als Vorspeise serviert bekam, würde schon oben auf ihn warten.
Er zog seinen weißen Kittel aus. Auf seinem Weg durch die Klinik unterhielt er sich mit dem Pflegepersonal und einigen Patienten. Die Einrichtung hatte ungefähr 600 Quadratmeter und lag tief unter seinem Haus. Es gab drei OPs, eine Reihe von Untersuchungs – und Aufwachräumen, das Labor, sein Büro und einen Wartebereich mit separatem Zugang zur Straße.
Etwa eintausend Patienten kamen jährlich zu ihm, zusätzlich machte er Hausbesuche bei Geburten und in anderen Notfällen.
Doch mit dem Bevölkerungsrückgang war auch seine Praxis geschrumpft.
Im Vergleich zu Menschen waren Vampire extrem im Vorteil, was ihre Gesundheit betraf. Ihre Körper heilten sehr schnell. Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder HIV gab es bei ihnen nicht. Aber wehe dem, der am helllichten Tag einen Unfall hatte. Niemand konnte ihm zu Hilfe kommen. Vampire starben auch während ihrer Transition oder direkt danach. Ein weiteres riesiges Problem war die Fortpflanzung: Selbst wenn eine Empfängnis stattfand, starben Vampirinnen oft bei der Entbindung, entweder am Blutverlust oder an schwerer Schwangerschaftsvergiftung. Totgeburten waren häufig, und die Säuglingssterblichkeit dramatisch hoch.
Menschliche Ärzte kamen für Kranke oder Verletzte kaum in Frage, auch wenn die beiden Spezies viele Ähnlichkeiten hatten, was die Anatomie betraf. Sollte ein Arzt ein großes Blutbild machen, würde er alle möglichen Anomalien feststellen, die in seiner Vorstellung vermutlich eine medizinische Sensation darstellen würden. Diese Art von Aufmerksamkeit galt es unbedingt zu vermeiden.
Gelegentlich allerdings landete ein vampirischer Patient trotzdem in einem Menschenkrankenhaus. Seit es den allgemeinen Notruf und immer schneller reagierende ambulante Hilfsdienste gab, verschärfte sich dieses Problem. Wenn ein Vampir so schlimm verletzt wurde, dass er außer Haus das Bewusstsein verlor, lief er Gefahr, in einer menschlichen Notaufnahme wieder zu erwachen. Ihn gegen ärztlichen Rat dort wieder herauszuholen, war immer ein Kampf.
Havers war nicht arrogant, aber er wusste, dass er der beste Arzt seiner Rasse war. Er hatte zweimal in Harvard Medizin studiert, einmal im späten 19. Jahrhundert und dann noch einmal in den 1980ern. Beide Male hatte er auf
seinem Bewerbungsbogen angegeben, körperbehindert zu sein, woraufhin man ihm besondere Zugeständnisse gemacht hatte. Natürlich konnte er die Vorlesungen nicht besuchen, da sie tagsüber stattfanden. Sein Doggen durfte aber teilnehmen, sich Notizen machen und auch die Prüfungen seines Herrn einreichen. Havers hatte alle Texte gelesen, mit den Professoren korrespondiert und manchmal sogar Seminare und Kolloquien besucht, wenn sie abends stattfanden.
Er hatte schon immer gern gelernt.
Als er nach oben kam, stellte er nicht sonderlich überrascht fest, dass Marissa noch nicht im Esszimmer erschienen war. Obwohl das Essen jede Nacht um ein Uhr serviert wurde.
Er ging in ihren Trakt.
»Marissa?«, fragte er an der Tür. Dann klopfte er einmal. »Marissa, das Essen steht auf dem Tisch.«
Er steckte seinen Kopf durch die Tür. Aus dem Flur drang das Licht des Kronleuchters herein und schnitt einen goldenen Keil in die Schwärze des Raumes. Die Vorhänge waren noch vor die Fenster gezogen, und sie hatte auch keine Lampe
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