Black Dagger 01 - Nachtjagd
Gesicht. »Aha! Das war es also. Du hast beobachtet, wie Butch und ich uns im Auto geküsst haben. Stimmt doch, oder?«
Wrath zog eine Augenbraue hoch. Er lächelte verkniffen, aber er gab ihr keine Antwort.
»Hast du ihn deshalb angegriffen?«
»Ich habe mich nur meiner Verhaftung widersetzt.«
»Klar, genau so sah es auch aus«, murmelte sie. »Also, war es so? Hast du gesehen, wie er mich geküsst hat?«
Wrath baute sich vor ihr auf, er strahlte etwas Bedrohliches aus. »Ja, ich habe euch gesehen. Und es hat mir überhaupt nicht gefallen, dass er dich angefasst hat. Macht dich das scharf? Willst du mir noch einen richtigen Schlag verpassen und mir erzählen, dass er besser im Bett ist als ich? Das wäre zwar eine Lüge, aber es würde mir trotzdem höllisch wehtun.«
»Warum ist das so wichtig für dich?«, wollte sie wissen. »Du und ich haben eine einzige Nacht zusammen verbracht. Noch nicht mal! Eigentlich waren es nur ein paar Stunden.«
Er klappte den Mund zu. Sie konnte sehen, dass er mit den Zähnen knirschte, weil seine Wangenknochen sich bewegten. Und sie war froh, dass er seine Sonnenbrille trug. Sie hatte das vage Gefühl, dass sein Blick sie sonst zu Tode erschreckt hätte.
Als ein Auto an ihnen vorbeifuhr, fiel ihr plötzlich wieder ein, dass er ja ein flüchtiger Verbrecher war – und sie theoretisch auch. Was zum Teufel war hier eigentlich los? Sie waren auf der Flucht und stritten sich hier mitten auf der Straße … wie ein Liebespaar.
»Hör mal, Wrath, ich möchte heute Nacht nicht verhaftet werden.« Wenn man ihr noch vor einer Woche gesagt hätte, dass einmal so ein Satz aus ihrem Mund kommen würde …
»Lass uns einfach weitergehen. Bevor uns noch jemand findet.« Sie wandte sich zum Gehen um, doch er fasste sie entschlossen am Arm.
»Du weißt es noch nicht.« Seine Miene war düster. »Aber du gehörst mir.«
Den Bruchteil einer Sekunde schwankte sie ihm entgegen.
Doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie legte die Hände auf ihr Gesicht, um ihn nicht ansehen zu müssen.
Sie fühlte sich gekennzeichnet, und das Verrückte war, dass ihr das nichts ausmachte. Weil sie es ebenfalls wollte.
Was in Bezug auf ihre geistige Gesundheit höchst alarmierend war.
Lieber Gott, sie musste wirklich noch mal in Ruhe die letzten paar Tage Revue passieren lassen. Könnte sie doch nur die letzten 48 Stunden zurückdrehen, bis zu dem Zeitpunkt, wo Dick auf ihrer Schreibtischkante gesessen und sie geifernd angeglotzt hatte.
Zwei Dinge würde sie auf jeden Fall anders machen. Sie würde sich ein Taxi nehmen, statt zu Fuß nach Hause zu gehen, denn dann würde sie Billy Riddle nicht treffen. Und sobald sie in ihrer Wohnung ankäme, würde sie sich ein paar Klamotten zusammenpacken und in ein Motel gehen. Damit dieser Drogen dealende Leder-Don-Juan sie nicht finden könnte.
Sie wollte einfach nur ihr armseliges, langweiliges kleines Leben zurück. Wie lächerlich war das denn? Noch vor kurzem dachte sie, aus genau diesem Leben auszubrechen, wäre ihre einzige Chance.
»Beth.« Seine Stimme klang wieder sanfter. »Sieh mich an.«
Sie schüttelte den Kopf, doch er nahm einfach ihre Hände herunter.
»Alles wird gut werden.«
»Ja, klar. Wahrscheinlich wird gegen mich gerade ein Haftbefehl erlassen. Ich laufe mit einem Killer wie dir durch die Dunkelheit. Und all das nur, weil ich so verzweifelt
etwas über meine toten Eltern erfahren will, dass ich mein Leben noch für das kleinste Fitzelchen Information riskieren würde. Ich sag dir mal was, von hier bis ›Alles wird gut‹ ist es ein verflucht weiter Weg.«
Er strich ihr mit der Fingerspitze über die Wange. »Ich werde dir nicht wehtun. Niemand wird dir wehtun, das lasse ich nicht zu.«
Sie rieb sich über die Stirn und fragte sich, ob sie sich wohl jemals wieder normal fühlen würde. »Ich wünschte wirklich, du wärest nie vor meiner Tür aufgetaucht. Ich wünschte, ich hätte dich nie gesehen.«
Er ließ seine Hand fallen.
»Wir sind gleich da«, sagte er knapp.
Butch gab es endgültig auf, senkrecht stehen zu wollen und ließ sich auf den Boden sinken.
Dort blieb er eine Weile sitzen und atmete einfach nur ein und aus. Er konnte sich nicht rühren.
Das lag nicht an seinen Kopfschmerzen, obwohl sein Schädel wirklich wehtat. Und es lag auch nicht daran, dass seine Beine sich bleiern anfühlten, obwohl sie genau das taten.
Er schämte sich.
Sich von einem größeren Mann besiegen zu lassen, war nicht das Problem. Auch
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