Black Dagger 01 - Nachtjagd
krächzender Ton kam aus Beths Mund.
»Ich bringe sie jetzt nach unten«, sagte Wrath.
»O ja, bitte«, murmelte sie. »Ich würde wirklich gerne nach … unten gehen.«
Er legte den Arm um sie. An der Art, wie sie sich an ihn schmiegte, konnte er spüren, wie verunsichert sie war. Es tat so gut, wenn sie sich auf seine Stärke verließ.
Zu gut eigentlich.
»Bei dir ist alles im Lot?«, fragte er seinen Bruder.
»Sicher. Ich haue hier ab, sobald ich fertig bin. Muss noch drei Kanopen einsammeln.«
»Nicht schlecht.«
»Es wären mehr gewesen, wenn dieses kleine Geschenk nicht per Luftpost gekommen wäre. Kein Wunder, dass du so auf diese Sterne stehst.« Rhage drehte seine Hände herum, als mache er einen Knoten. »Du solltest wissen, dass Tohr und die Zwillinge« – er nahm eine Schere vom Waschbecken und schnitt den Faden ab – »da weitermachen, wo wir letzte Nacht aufgehört haben. Sie sollten in ein paar Stunden zurück sein und Bericht erstatten, so wie du es wolltest.«
»Sag ihnen, sie sollen vorher anklopfen.«
Rhage nickte. Er war schlau genug, keinen Kommentar abzugeben.
Als Wrath Beth den Flur hinunterführte, ertappte er sich dabei, ihr über die Schultern zu streicheln. Ihren Rücken.
Dann legte er seine Hand um ihre Taille und drückte seine Finger in ihr zartes Fleisch. Sie passte genau zu seinem Körper, ihr Kopf reichte ihm bis zur Brust und ruhte dort auf seinen Muskeln, während sie eng umschlungen weiterliefen.
Zu angenehm. Zu vertraut, dachte er. Viel zu schön.
Er hielt sie trotzdem fest.
Und selbst jetzt wünschte er, er könnte zurücknehmen, was er vor der Tür zu ihr gesagt hatte. Dass sie ihm gehörte.
Denn das stimmte nicht. Er wollte sie nicht als Shellan nehmen. Er war wütend gewesen, eifersüchtig. Noch immer sah er den Bullen vor sich, wie er sie befummelte. War sauer, weil er den Menschen doch nicht getötet hatte. Seine Worte waren ihm einfach so herausgerutscht.
Ach, zur Hölle. Diese Frau stellte etwas mit seinem Gehirn an. Sie schaffte es irgendwie, seine ausgeprägte Selbstkontrolle auszuschalten und den Psychopathen in ihm auf den Plan zu rufen.
Genau das wollte er eigentlich verhindern.
Eigentlich waren solche Anfälle von Wahnsinn doch Rhages Spezialität.
Und die Brüder hatten wirklich keinen Bedarf an noch einem gemeingefährlichen Pulverfass in ihrer Gruppe.
Beth schloss die Augen und lehnte sich an Wrath. Sie versuchte, das Bild der klaffenden Wunde loszuwerden, aber es war, als wollte sie das Sonnenlicht mit den Händen abwehren: Ein Teil des Bildes drang trotzdem durch. All das leuchtend rote, glänzende Blut, der rohe, rosafarbene Muskel, das schockierende Weiß des Knochens. Und diese Nadel. Wie sie durch die Haut stach, das Fleisch bis zu einem gewissen Punkt nach außen zog, bis der schwarze Faden durch die Haut brach –
Sie öffnete die Augen.
Mit offenen Augen war es besser.
Egal, was der Mann sagte, das war nicht nur eine Schramme. Er musste ins Krankenhaus. Und sie hätte ihrer Meinung sicher etwas mehr Nachdruck verliehen, wäre sie nicht so damit beschäftigt gewesen, ihre Portion Thaicurry zum Bleiben zu überreden.
Außerdem schien der Typ verdammt viel Erfahrung damit zu haben, sich selbst zusammenzuflicken.
Und er sah verboten gut aus. Auch wenn das ganze Blut etwas vom Gesamteindruck ablenkte, konnte sie nicht anders, als sein blendendes Aussehen zu bemerken. Kurze blonde Haare, leuchtend blaue Augen, ein Gesicht, das auf die Leinwand gehörte. Er war gekleidet wie Wrath, in schwarze Lederhosen und Stiefel, aber sein Hemd hatte neben ihm gelegen. Die Muskeln seines Oberkörpers waren im Badezimmerlicht deutlich modelliert zu sehen gewesen, eine eindrucksvolle Zurschaustellung von Kraft. Und dieses mehrfarbige Drachen-Tattoo, das seinen ganzen Rücken bedeckte, war einfach irre.
Andererseits war nicht zu erwarten gewesen, dass Wrath mit irgendeinem dürren Buchhalter seine Zeit verbrachte.
Drogendealer. Sie waren eindeutig Drogendealer. Pistolen, Waffen, große Mengen an Bargeld. Wer sonst geriet schon in Messerstechereien und spielte danach selbst den Doktor?
Sie erinnerte sich, dass der Mann die gleiche kreisrunde Narbe auf der Brust gehabt hatte, wie sie auch Wrath trug.
Sie mussten zu einer Gang gehören, dachte sie. Oder zur Mafia.
Plötzlich brauchte sie ein bisschen mehr Platz zum Atmen, und Wrath ließ sie los, als sie in einen zitronenfarbigen Raum kamen. Ihr Schritt verlangsamte sich. Es sah aus wie in
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