Black Dagger 02 - Blutopfer
er, dass er allein am Tisch saß.
Er hatte keine Lust, nach Hause zu fahren. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden war es ihm gelungen, sein gesamtes Leben ad acta zu legen, einfach in einen entlegenen Winkel seines Kopfes zu schieben. Und ihm lag nicht im Geringsten etwas daran, es wieder hervorzukramen oder sich jemals wieder damit zu befassen.
Er betrachtete die Stühle um sich herum und dachte an die Leute – äh, Vampire –, die bis vor kurzem darauf gesessen hatten.
Er war ein Außenseiter in ihrer Welt. Ein Eindringling.
Andererseits war es für ihn nicht gerade eine neue Erfahrung, nicht dazuzugehören, ein Fremdkörper zu sein. Die anderen Polizisten waren gutmütige Kerle gewesen, aber mehr als ein gutes Arbeitsverhältnis hatte er mit keinem von ihnen gehabt, nicht einmal mit José. Er war nie bei den de la Cruzes zum Abendessen eingeladen gewesen oder dergleichen.
Als er so auf die leeren Teller und halbvollen Weingläser starrte, wurde ihm bewusst, dass er nirgendwohin konnte. Es gab keinen Ort, an dem er sein wollte. Bisher hatte ihn die Einsamkeit nie gestört, eigentlich hatte sie ihm sogar stets ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Deshalb war es
ein merkwürdiges Gefühl, sie jetzt plötzlich als so unangenehm zu empfinden.
»Hey, Bulle. Wir sind auf dem Weg ins Screamer’s. Kommst du mit?«
Butch blickte zum Türrahmen. Vishous stand in der Eingangshalle, hinter ihm Rhage und Phury. Die Vampire sahen ihn erwartungsvoll an, so als wollten sie ihn ehrlich dabeihaben.
Wider Willen musste Butch grinsen, wie der Neue in der Klasse, der in der großen Pause ein halbes Butterbrot angeboten bekommt.
»So ein kleiner Kneipenbummel könnte wohl nicht schaden. «
Beim Aufstehen überlegte er, ob er sich noch schnell umziehen sollte. Die Brüder hatten sich in ihre Lederklamotten geworfen, aber er zog den Anzug nur ungern wieder aus.
Scheiß drauf. Er mochte den feinen Zwirn, und er würde ihn anbehalten. Selbst wenn er eigentlich nicht zu ihm passte.
Butch knöpfte das Jackett zu und strich es über der Brust glatt. Dann überprüfte er, ob das Taschentuch noch an Ort und Stelle saß.
»Komm schon, Bulle, du bist hübsch genug«, sagte Rhage mit einem strahlenden Lächeln. »Und ich lechze nach ein bisschen Gesellschaft, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ja, das konnte er sich ungefähr denken.
Butch ging um den Tisch herum. »Aber ich muss euch warnen, Jungs. Ein paar von den Kerlen, die ich in den Knast befördert habe, hängen gerne mal im Screamer’s ab. Das könnte hässlich werden.«
Rhage klopfte ihm auf den Rücken. »Was glaubst du, warum wir dich dabeihaben wollen?«
»Genau«, grinste V und zog sich die Kappe tief in die
Stirn. »Eine kleine Schlägerei passt perfekt zu einem schönen Glas Wodka.«
Butch verdrehte die Augen und sah dann Phury ernst an. »Wo ist dein Herzbube?«
Phury wurde steif. »Z kommt nicht mit.«
Gut. Mit den anderen hatte Butch keine Probleme; er war sich sicher, wenn sie ihn hätten töten wollen, würde er längst unter der Erde liegen. Aber dieser Zsadist … er fragte sich, wann er wohl Amok laufen würde. Und wen er alles mitnehmen würde, wenn es so weit war.
Aber Mann, singen konnte er wirklich.
Auf dem Weg zur Tür murmelte Butch: »Der Freak hat vielleicht eine Stimme. Echt umwerfend schön.«
Die Brüder nickten, und Rhage legte Phury einen muskulösen Arm um die Schultern. Phurys Kopf sank kurz tiefer, als trüge er eine schwere Last auf dem Rücken und sehnte sich verzweifelt nach einer kurzen Verschnaufpause.
Draußen gingen sie auf einen schwarzen Escalade ESV zu. Die Scheinwerfer leuchteten auf, als die Verriegelung per Fernbedienung gelöst wurde.
» Scheiße. Ich hätte fast was vergessen.« Butch blieb plötzlich stehen. Die Vampire verharrten ebenfalls und sahen ihn fragend an. »Ich sitze vorne!«
Er stürmte um den Wagen herum, und Phury und Rhage rannten ihm fluchend hinterher. Auf der anderen Seite holten sie ihn ein, doch er hatte die Hand schon am Türgriff und wich nicht von der Stelle.
»Menschen müssen hinten sitzen!«
»Auf der Motorhaube!«
»Hört mal, ihr Blutsauger, ich hab’s zuerst gesagt –«
»V, ich beiß ihn gleich!«
Vishous’ Gelächter dröhnte durch die Nacht, während er sich hinter das Steuer klemmte. Als erstes drehte er die Anlage so laut auf, dass der gesamte Wagen vibrierte.
»Hypnotize« von Notorious BIG.
Den guten alten BIG konnten sie jetzt in Montreal noch hören, dachte Butch,
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