Black Dagger 07 - Menschenkind
Glückspilz. Wenn ein Lesser ins Gras biss, dann erwartete ihn auf der anderen Seite endloses Elend, ein Horrortrip, die christliche Vorstellung der Hölle hoch zehn: Wurde ein Lesser getötet, kehrte er zurück in die Venen von Omegas Körper. Dort kreiste und kreiste er in einer bösen Brühe zusammen mit anderen toten Lessern und wurde zu genau dem Blut, das der Meister
während der Aufnahmezeremonie in ein neues Mitglied der Gesellschaft pumpte. Und für die wiederhergestellten Lesser nahmen die brennende Kälte und der beißende Hunger und der zermürbende Druck kein Ende, denn man blieb bei Bewusstsein. Bis in alle Ewigkeit.
Mr X überlief ein Schauer. Zu Lebzeiten war er Atheist gewesen, hatte den Tod als Schlusspunkt betrachtet. Jetzt, als Lesser, wusste er ganz genau, was ihn erwartete, wenn der Meister die Geduld verlor und ihn wieder feuerte.
Und doch gab es Hoffnung. Mr X hatte ein kleines Schlupfloch entdeckt, vorausgesetzt, die Puzzleteile fügten sich richtig zusammen.
Mit ein bisschen Glück hatte er einen Weg aus Omegas Welt gefunden.
8
Butch brauchte drei lange Tage, um aufzuwachen, und er tauchte aus dem Koma auf wie eine Boje aus dem Wasser, stieg aus den Tiefen des Nichts hoch und tanzte auf der Oberfläche des Realitätssees aus Geräuschen und Anblicken. Irgendwann gelang es ihm, zu rekonstruieren, dass er auf eine weiße Wand vor sich starrte und im Hintergrund ein leises Piepsen hörte.
Krankenhaus. Genau. Und die Fesseln um Arme und Beine waren jetzt weg.
Nur so aus Spaß drehte er sich auf den Rücken und drückte Kopf und Schultern vom Bett hoch. Diese aufrechte Position behielt er bei, er mochte das Gefühl, dass der ganze Raum sich drehte. Das lenkte ihn von dem bunten Reigen von Schmerzen und Beschwerden in seinem Körper ab.
Mannomann, er hatte schräge, wunderbare Träume gehabt. Marissa, die an seinem Bett saß und ihn pflegte. Seinen
Arm, sein Haar, sein Gesicht streichelte. Ihm zuflüsterte, er solle bei ihr bleiben. Ihre Stimme war es gewesen, die ihn in seinem Körper gehalten hatte, die ihn von dem weißen Licht ferngehalten hatte, das eindeutig die Tür zum Jenseits gewesen sein musste. Wie jeder Idiot wusste, der Poltergeist gesehen hatte. Für sie hatte er durchgehalten und dem stetigen, kräftigen Schlagen seines Herzens nach zu urteilen, würde er es schaffen.
Nur, dass natürlich die Träume alle ein Schwindel gewesen waren. Sie war nicht hier, und jetzt steckte er wieder in seiner Haut fest, bis ihn das nächste krasse Erlebnis zu Boden warf.
Typisch, er musste natürlich trotzdem weiteratmen.
Jetzt blickte er an dem Infusionsbeutelhalter hoch. Beäugte den Katheter. Drehte den Kopf seitlich, wo offenbar ein Badezimmer war. Dusche. O Gott, er würde sein linkes Ei für eine Dusche geben.
Als er seine Beine zur Seite schob, war ihm durchaus bewusst, dass das, was er vorhatte, vermutlich keine so tolle Idee war. Aber er sagte sich, während er den Katheterbeutel neben die Infusionen hängte, dass zumindest das Karussell zum Stehen gekommen war.
Ein paar tiefe Atemzüge, dann ergriff er den Infusionshalter als Stütze.
Seine Füße trafen auf den kalten Boden. Das Gewicht verlagerte sich auf die Beine.
Seine Knie gaben postwendend nach.
Als er zurück auf das Bett fiel, wusste er, dass er es niemals ins Bad schaffen würde. Ohne Hoffnung auf heißes Wasser wandte er den Kopf herum und schielte mit nackter Begierde in Richtung der Dusche …
Butch schnappte nach Luft, als hätte er einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen.
In der Ecke auf dem Boden lag Marissa, seitlich zusammengerollt.
Ihr Kopf ruhte auf einem Kissen, und ein wunderschönes Kleid aus blassblauem Chiffon ergoss sich über ihre Beine. Überall um sie herum lag ihr Haar ausgebreitet, dieser unglaubliche Wasserfall aus hellem Blond, dieser romantische Strom aus welligen Strähnen.
O Gott. Sie war tatsächlich bei ihm gewesen. Sie hatte ihn wahrlich gerettet.
Ganz neue Kräfte strömten in seinen Körper, als er aufstand und über das Linoleum schlingerte. Er wollte sich hinknien, wusste aber, dass er vermutlich nicht wieder hochkäme; also blieb er einfach neben ihr stehen.
Warum war sie hier? Das Letzte, an das er sich im Zusammenhang mit ihr erinnerte, war, dass sie nichts von ihm wissen wollte. Sie hatte ihn ja nicht einmal sehen wollen, als er vergangenen September in der Hoffnung auf … alles zu ihr gekommen war.
»Marissa?« Seine Stimme war völlig im Eimer, und er musste sich erst
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