Black Dagger 09 - Seelenjäger
wusste, dass sein Freund das Spiel nur vorgeschlagen hatte, damit John sich besser fühlte. Aber Blay wusste meistens, wo die Leute in ihren Köpfen waren, und wie man nett sein konnte, ohne jemanden zu blamieren. Er war ein großartiger Freund.
Vier Sechserpacks, drei Abstecher in die Küche, zwei komplette Durchgänge sKillerz und einen Godzillafilm später sah John auf die Uhr und stand vom Bett auf. Fritz würde ihn bald abholen, weil er jede Nacht um vier Uhr eine Verabredung hatte, die er nicht verpassen durfte; sonst würde er aus dem Trainingsprogramm gefeuert.
Sehen wir uns morgen in der Schule?, fragte er in Gebärdensprache.
»Klar doch«, sagte Blay.
Qhuinn lächelte. »Nachher chatten?«
Mach ich. An der Tür blieb er stehen. Ach ja, was ich noch fragen wollte. Er tippte sich ans Auge und zeigte auf Qhuinn. Woher kommt das Veilchen?
Qhuinns Blick blieb vollkommen ausdruckslos, sein Lächeln strahlte wie immer. »Ach, das war nichts. Bin nur in der Dusche ausgerutscht. Wirklich dämlich.«
John runzelte die Stirn und blickte zu Blay, dessen Blick fest auf den Boden geheftet war. Okay, hier stimmte etwas …
»John«, sagte Qhuinn mit fester Stimme. »Unfälle können vorkommen.«
John glaubte ihm nicht, vor allem, weil Blay immer noch
wie gebannt seine Füße anstarrte. Aber als jemand, der sein eigenes Geheimnis mit sich herumtrug, wollte er nicht schnüffeln.
Schon klar, gab er zurück. Dann pfiff er zum Abschied und ging.
Als er die Tür hinter sich zuzog, hörte er ihre tiefen Stimmen und legte die Hand auf das Holz. Er wünschte sich so sehr, dort zu sein, wo sie waren, aber der Sexkram … Nein, bei seiner Transition ging es darum, ein Mann zu werden, um seine Toten rächen zu können. Es hatte nichts damit zu tun, Frauen aufzureißen. Eigentlich sollte er sich vielleicht eine Scheibe von Phury abschneiden.
Das Zölibat hatte einiges für sich. Phury enthielt sich jetzt schon seit einer halben Ewigkeit, und was machte das aus ihm? Er war total klar im Kopf, ein super Typ.
Kein so schlechtes Vorbild.
5
»Du wirst was?«, platzte Butch heraus.
Als er seinen Mitbewohner ansah, bekam Vishous das schreckliche Wort kaum über die Lippen. »Der Primal. Der Auserwählten.«
»Was zum Henker ist das?«
»Im Prinzip ein Samenspender.«
»Moment mal … wie in In-Vitro-Fertilisation? «
V zog sich eine Hand durch die Haare und dachte, wie gut es jetzt tun würde, seine Faust durch die Wand zu schlagen. »Ein bisschen praxisbezogener läuft es schon ab.«
Apropos praxisbezogen – es war ziemlich lange her, seit er normalen Sex mit einer Frau gehabt hatte. Konnte er überhaupt bei dem formellen, rituellen Akt der Auserwählten einen Orgasmus bekommen?
»Warum du?«
»Muss ein Mitglied der Bruderschaft sein.« V wanderte in dem dunklen Raum auf und ab. Die Identität seiner Mutter wollte er lieber noch ein Weilchen für sich behalten. »Der
in Frage kommende Kreis ist ziemlich klein. Und wird immer kleiner.«
»Wirst du drüben leben?«, fragte Phury.
»Wo leben?«, schaltete sich Butch ein. »Du meinst, du wirst nicht mehr mit uns kämpfen können? Oder überhaupt … bei uns sein?«
»Nein, das hab ich zur Bedingung für den Deal gemacht. «
Als Butch erleichtert ausatmete, musste V sich die peinliche Seligkeit verkneifen, dass seinem Mitbewohner seine Anwesenheit genauso wichtig war, wie ihm selbst dessen Zuneigung.
»Wann geht es los?«
»In ein paar Tagen.«
Phury ergriff das Wort. »Weiß Wrath davon?«
»Ja.«
Jetzt wurde V noch einmal bewusst, auf was er sich da eingelassen hatte, und sein Herz zappelte in seiner Brust herum, ein Vogel, der mit den Flügeln schlägt, um dem Käfig seines Brustkorbs zu entfliehen. Dass zwei seiner Brüder und Rehvenge ihn taxierten, verschlimmerte die Panik noch. »Hört mal, würdet ihr mich mal einen Augenblick entschuldigen? Ich muss … Scheiße, ich muss hier raus.«
»Ich komme mit«, sagte Butch.
»Nein.« V war in hoffnungsloser Verfassung. Wenn es jemals eine Nacht gab, in der er versucht hätte sein können, etwas grob Unangebrachtes zu tun, dann heute. Schlimm genug, dass das, was er für seinen Mitbewohner empfand, unterschwellig immer da war; es zu einer Realität zu machen, indem er es auslebte, wäre eine Katastrophe, mit der weder er, noch Butch oder Marissa umgehen könnten. »Ich muss allein sein.«
V schob sich das verwünschte goldene Amulett zurück
in die Hosentasche und verließ die erdrückende Stille des Büros.
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