Black Dagger 10 - Todesfluch
noch lesbar: DARIUS, SOHN DES MARKLON.
Verblüfft bückte sich Phury. Das war Ds Buch … vermutlich ein Tagebuch.
Er öffnete die Vitrine, stutzte aber bei dem Geruch. Schießpulver?
Er suchte die darin versammelten Gegenstände ab. Ganz hinten in einer Ecke lag ein alter Revolver, er erkannte Fabrikat und Modell aus dem Waffenlehrbuch, mit dem er die Trainingsschüler unterrichtete. Es war ein 1890er Colt Navy, Kaliber 36, sechsschüssig. Der erst vor kurzem abgefeuert worden war.
Er nahm das Ding heraus, klappte die Trommel auf und holte eine der Kugeln heraus. Sie war rund … und uneben, als wäre sie von Hand gemacht.
Diese Form hatte er schon mal gesehen. Als er Vs medizinische Befunde aus dem Computer im St. Francis gelöscht hatte, hatte er sich ein Röntgenbild von seinem Brustraum angesehen … und den kugelförmigen, leicht unregelmäßigen Bleiklumpen im hinteren Brustmuskel seines Bruders entdeckt.
»Bist du hier, um mich zu sehen?«
Phury blickte über die Schulter die Directrix an. Sie stand in der Flügeltür, gekleidet in diese weiße Robe, die hier alle trugen. Um ihren Hals hing an einer Kette ein Amulett wie seines.
»Hübsche Sammlung von Artefakten habt ihr hier«, sagte er gedehnt und drehte sich um.
Die Augen der Frau verengten sich zu Schlitzen. »Ich hätte geglaubt, dass Euch die Edelsteine mehr interessieren. «
»Eigentlich weniger.« Er ließ sie nicht aus den Augen, während er das Buch in seiner Hand hob. »Das sieht aus wie das Tagebuch meines Bruders.«
Als sie die Schultern kaum sichtbar hochzog, wollte er sie am liebsten umbringen. »Ja, das ist Darius’ Tagebuch.«
Phury tippte mit dem Finger auf den Einband, dann deutete er mit einer ausladenden Geste auf die ganzen Juwelen. »Sag mal – wird dieser Ort immer verschlossen gehalten? «
»Ja. Seit dem Angriff.«
»Dann sind du und ich also die Einzigen, die einen Schlüssel besitzen, richtig? Wir möchten ja nicht, dass den Dingen, die hier aufbewahrt werden, etwas zustößt.«
»Ja. Nur wir beide. Niemand sonst hat Zutritt ohne mein Wissen oder meine Anwesenheit.«
»Niemand.«
Ihre Augen flackerten verärgert auf. »Die Ordnung muss gewahrt werden. Ich habe Jahre damit verbracht, die Auserwählten für den ihnen obliegenden Dienst auszubilden.«
»Verstehe … deshalb muss ein Primal, der hier plötzlich auftaucht, dir doch echt den Spaß versauen. Denn ab jetzt habe ich ja das Kommando, richtig?«
Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Es geziemt dir, hier zu herrschen.«
»Entschuldigung, könntest du das nochmal wiederholen? Ich hab dich nicht gehört.«
Den Bruchteil einer Sekunde brannten ihre Augen vor Bosheit – was ihm ihre Tat und ihr Motiv bestätigte: Die Directrix hatte auf Vishous geschossen. Mit der Waffe aus der Vitrine. Sie wollte ihre Herrschaft nicht an ihn abtreten und wusste ganz genau, dass sie bestenfalls noch die zweite Geige spielen würde, sobald ein Primal auf den Plan trat. Im schlimmsten Fall könnte sie ihre gesamte Macht verlieren, nur weil dem Mann ihre Nase nicht gefiel.
Da der Anschlag auf V nicht erfolgreich gewesen war, hatte sie sich vorübergehend zurückgezogen … bis sie einen neuen Versuch starten konnte. Zweifellos war sie sowohl klug, als auch niederträchtig genug, ihr Territorium zu verteidigen, bis entweder der Vorrat an Brüdern ausging oder die Position des Primals den Ruf bekam, verflucht zu sein.
»Wolltest du nicht etwas sagen?«, bohrte er noch einmal nach.
Die Directrix spielte mit dem Amulett an ihrem Hals. »Du bist der Primal. Du bist hier der Herrscher.«
»Gut. Schön, dass wir uns da einig sind.« Wieder klopfte er auf Darius’ Tagebuch. »Das hier nehme ich mit.«
»Haben wir jetzt nicht eine Unterredung?«
Er ging auf sie zu. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte er ihr das Genick gebrochen.
»Nicht jetzt. Ich habe etwas mit der Jungfrau der Schrift zu erledigen.« Dann beugte er sich herunter und brachte seinen Mund ganz nah an ihr Ohr. »Aber ich komme wieder. «
31
Vishous hatte noch nie zuvor geweint. Sein gesamtes Leben lang hatte er nicht geweint. Nach allem, was er durchgemacht hatte, war er irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass er ohne Tränenkanäle auf die Welt gekommen sein musste. Auch die Ereignisse, die zum heutigen Tag führten, hatten das nicht verändert. Als Jane tot in seinen Armen lag, hatte er nicht geweint. Als er in der Grotte versucht hatte, sich die Hand als Opfer abzuschneiden, und der Schmerz ihn
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