Black Dagger 11 - Blutlinien
willst, dass ich kämpfe?« Das wäre ja besser, als er sich erhofft hatte. »Ich würde dir auch mein Wort geben – «
»Leck mich.« Blitzschnell stand Wrath auf und kam um den Schreibtisch herum. »Du hast deinem Zwilling gesagt, du kämest nach Hause, aber ich gehe jede Wette ein, dass du zu Rehvenge gegangen bist. Du hast Z versprochen, die Lesser nicht mehr zu zerschnippeln, aber du hast dich nicht daran gehalten. Du hast dich bereiterklärt, der Primal zu sein, und bist es nicht. Verflucht nochmal, du tischst uns ständig das Märchen auf, du würdest jetzt in dein Zimmer gehen, um zu schlafen, aber wir wissen alle, was du da drin
machst. Und jetzt erwartest du im Ernst von mir, das ich mich auf dein Wort verlasse?«
»Dann sag mir, was du von mir verlangst.«
Hinter der Sonnenbrille forschten die blassen Augen in seinem Gesicht. »Ich bin mir nicht sicher, ob eine Zwangspause und eine Intensivtherapie was helfen, weil ich glaube, dass du keins von beiden machen wirst.«
Kaltes Entsetzen rollte sich wie ein nasser, verwundeter Hund in Phurys Eingeweiden zusammen. »Willst du mich rauswerfen?«
So etwas war schon vorgekommen in der Geschichte der Bruderschaft. Nicht oft. Aber es war vorgekommen. Murhder fiel ihm da ein … Verdammt, ja, das war vermutlich der letzte Krieger gewesen, der vor die Tür gesetzt wurde.
»Ganz so einfach ist es nicht, oder?«, sagte Wrath. »Wenn du fliegst – was ist dann mit den Auserwählten? Der Primal war immer ein Bruder, und nicht nur wegen der Blutlinien. Außerdem würde Z das auch nicht besonders gut aufnehmen, auch wenn er momentan total angepisst von dir ist.«
Na toll. Seine Sicherheitsnetze bestanden momentan darin, seinen Zwilling vor dem Durchdrehen zu bewahren und die Hure der Auserwählten zu sein.
Der König trat an eines der Fenster. Draußen schwankten die grünen Bäume im auffrischenden Wind.
»Ich sag dir mal, was ich glaube.« Wrath schob die Sonnenbrille hoch und rieb sich die Augen, als hätte er Kopfschmerzen. »Du solltest …«
»Es tut mir leid«, sagte Phury, weil es das Einzige war, was er anzubieten hatte.
»Mir auch.« Wrath ließ die Brille wieder auf die Nase fallen und schüttelte den Kopf. Als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte und sich wieder setzte, waren sowohl sein Kiefer,
als auch die Schultern gestrafft. Er zog eine Schublade auf und holte einen schwarzen Dolch heraus.
Phurys Dolch. Den er in der Sackgasse vergessen hatte.
Z musste das verdammte Ding gefunden und mit nach Hause gebracht haben.
Der König drehte die Waffe in der Hand und räusperte sich. »Gib mir deinen anderen Dolch. Du bist dauerhaft aus dem Dienstplan gestrichen. Ob du zum Therapeuten gehst oder ob sich die Sache mit den Auserwählten regelt, geht mich nichts an. Ich bin mit meinem Latein am Ende, denn die Wahrheit ist doch: Du wirst tun, was du tun willst. Nichts, was ich von dir verlange oder um was ich dich bitte, wird einen Unterschied machen.«
Phury blieb kurz das Herz stehen. Egal, wie er sich diese Konfrontation vorgestellt hatte: dass Wrath sich aus diesem ganzen Chaos zurückzog, war darin nie vorgekommen.
»Bin ich immer noch ein Bruder?«
Der König starrte nur unverwandt den Dolch an – was Phury seine Antwort klar und deutlich gab: Nur dem Namen nach.
Manche Dinge mussten eben nicht ausgesprochen werden.
»Ich werde mit Z sprechen«, murmelte der König. »Wir werden sagen, dass du beurlaubt bist. Keine Kämpfe mehr für dich, und du kommst auch nicht mehr zu den Versammlungen. «
Phury spürte eine Panik, als befände er sich im freien Fall von einem Hochhaus und hätte gerade Augenkontakt mit dem Pflasterstein hergestellt, auf dem sein Name stand.
Keine Netze mehr. Keine Versprechungen, die er brechen konnte. Soweit es den König betraf, war Phury auf sich allein gestellt.
Neunzehnhundertzweiunddreißig, dachte er. Er war nur sechsundsiebzig Jahre in der Bruderschaft gewesen.
Er hob die Hand an die Brust, umschloss den Griff des zweiten Dolchs, zog ihn mit einem Ruck heraus und legte ihn auf den albernen hellblauen Schreibtisch.
Er verneigte sich vor seinem König und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort.
Bravo, rief der Zauberer. Wie schade, dass deine Eltern schon tot sind, mein Bester. Sie wären ja so stolz auf dich – warte, wir holen sie einfach zurück, was hältst du davon?
Zwei Bilder stürzten auf ihn ein: sein Vater, ohnmächtig in einem Raum voller leerer Ale-Flaschen, seine Mutter auf dem Bett
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