Black Dagger 11 - Blutlinien
Mordes verantworten, und es sah nicht besonders gut für ihn aus. Da er selbst nicht derjenige gewesen war, der angegriffen wurde, konnte er nicht auf Notwehr plädieren. Wenn er Glück hatte, kam er mit gerechtfertigtem Fememord davon, aber selbst darauf stand Gefängnis, zusätzlich zu der hohen Geldbuße, die an Lashs Eltern gezahlt werden musste. Wenn hingegen Lash überlebte, dann blieb es bei gefährlicher Körperverletzung, was allerdings trotzdem mit Gefängnis und finanzieller Entschädigung geahndet wurde.
Beide Ergebnisse warfen dasselbe Problem auf: Soweit John wusste, hatte sein Volk kein Gefängnis, da der Strafvollzug in den vierhundert Jahren vor Wraths Thronbesteigung immer weiter vernachlässigt worden war. Qhuinn würde demnach irgendwo unter Hausarrest gestellt werden, bis ein Gefängnis gebaut wurde.
Schwer vorstellbar, dass Blays Eltern damit einverstanden wären, einen schweren Straftäter auf unbestimmte Zeit unter ihrem Dach zu beherbergen. Wohin sollte er also gehen?
Fluchend schob John die ledergebundenen Bücher zurück ins Regal. Als er sich umdrehte, erhaschte er aus dem Augenwinkel eine Erscheinung im Mondlicht und vergaß schlagartig, was er gerade gelesen hatte.
Durch die Terrassentür der Bibliothek sah er Cormia aus dem Schwimmbecken steigen. Wassertropfen perlten wie Kristalle von ihrem nackten Körper ab, ihre Haut war so glatt, dass sie aussah wie poliert, ihre langen, grazilen Arme und Beine waren anmutig wie eine Sommerbrise.
O … wow.
Wie zum Henker hatte Phury die Finger von ihr lassen können?
Als sie ihre Robe überzog, wirbelte sie plötzlich zum Haus herum und erstarrte bei seinem Anblick. Er kam sich wie
der letzte Spanner vor, als er die Hand zu einem verlegenen Winken hob. Sie zögerte, als wäre sie unsicher, ob man sie bei etwas Schlimmem erwischt hatte, erwiderte dann aber den Gruß.
Ohne nachzudenken, öffnete er die Tür und sagte mit den Händen: Es tut mir total leid, dass ich so spät komme.
Na, ganz toll. Sie konnte ja gar keine Gebärdensprache –
»Tut es Euch leid, dass Ihr mich gesehen habt oder dass Ihr zu spät kommt? Eins von beiden habt Ihr wahrscheinlich gemeint.« Als er auf seine Uhr tippte, errötete sie ein wenig. »Aha, das also.«
Er nickte, und sie kam auf ihn zu. Ihre Füße machten kein Geräusch, hinterließen aber nasse Spuren auf den Steinfliesen. »Ich habe auf Euch gewartet. O, du gütigste Jungfrau der Schrift. Ihr seid verletzt!«
Er legte sich die Hand auf die Schwellung am Mund und wünschte, ihre Augen könnten im Dunklen nicht so gut sehen. Um sie abzulenken, begann er, etwas in Gebärdensprache zu erzählen, brach dann aber frustriert über die Kommunikationsbarriere zwischen ihnen ab. Da hatte er eine Idee.
Er zog sein Handy heraus und tippte ein: Ich würde trotzdem gern einen Film anschauen, hast du Lust?
Es war ein krasser Abend gewesen, und er wusste, wenn die Brüder aus der Klinik zurückkehrten und Lashs Zustand geklärt wäre, würde alles nur noch schlimmer. Da John total zappelig war und ihm vor lauter Grübeln fast der Kopf platzte, war die Vorstellung, mit ihr im Dunklen zu sitzen und alles andere auszublenden, so ziemlich das Einzige, was er momentan aushalten konnte.
Sie musterte ihn eingehend aus zusammengekniffenen Augen. »Geht es Euch gut?«
Ja, alles klar, tippte er. Entschuldige, dass ich zu spät bin. Würde wirklich gern einen Film sehen.
»Sehr gern«, sagte sie mit einer Verbeugung. »Allerdings würde ich mich gern vorher waschen und umziehen.«
Zusammen gingen sie durch die Bibliothek ins Haus und die große Freitreppe hinauf. John war ziemlich beeindruckt; obwohl er sie nackt gesehen hatte, war sie nicht übermäßig verlegen. Was ganz schön anziehend war.
Oben an der Treppe wartete er, während sie in ihr Zimmer ging; er rechnete mit einem längeren Aufenthalt, aber sie war in Windeseile zurück. Und sie trug das Haar offen.
Herr im Himmel, was für ein Anblick. Die blonden Locken fielen ihr bis auf die Hüften, ihre Farbe war etwas dunkler als üblich, weil sie noch feucht waren.
»Meine Haare sind nass.« Errötend hielt sie ihm eine Handvoll goldener Klemmen unter die Nase. »Ich stecke sie hoch, sobald sie trocken sind.«
Meinetwegen ist das nicht nötig, dachte John, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
»Euer Gnaden?«
John fing sich wieder und ging voran durch den Flur mit den Statuen auf die Schwingtüre zu, die in den Dienstbotentrakt führte. Er hielt sie für Cormia
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