Black Dagger 12 - Vampirträume
lag nicht daran, dass du nach deinem Zwillingsbruder geboren wurdest. Du bist der Fluch. Ob nun fünf Kinder auf die Welt gekommen wären oder gar keins – das Resultat für alle Lebensläufe um dich herum wäre dasselbe gewesen.
Er tastete nach der Fernbedienung und stellte die Anlage an, aber sobald Puccinis köstliche, wunderschöne Töne den Raum durchströmten, füllten sich seine Augen mit Tränen.
So herrlich war die Musik, und so unerträglich die magische Stimme Luciano Pavarottis im Gegensatz zu dem Grunzen, das er ausgestoßen hatte, als er auf Cormia lag.
Er hatte sie festgehalten. Ihre Arme umklammert. Sie von hinten bestiegen –
Du bist der Fluch.
Während die Stimme des Zauberers weiterhin auf ihn eindrosch, spürte er sich erneut vom Efeu der Vergangenheit umrankt, alles, worin er versagt, was er nicht geleistet hatte, alle Vorsicht, um die er sich bemüht und die er doch verfehlt hatte … und nun gab es noch eine neue Ebene. Cormias Ebene.
Er hörte den letzten pfeifenden Atemzug seines Vaters. Und das Knistern des in Flammen aufgehenden Körpers seiner Mutter. Und die Wut seines Zwillingsbruders über seine Rettung.
Das Schlimmste aber war Cormias Stimme: Bitte geht von mir herunter.
Phury hielt sich die Ohren zu, obwohl das überhaupt nichts nutzte.
Du bist der Fluch.
Mit einem Aufstöhnen presste er sich die Handflächen so fest gegen den Schädel, dass seine Arme bebten.
Gefällt dir die Wahrheit nicht?, höhnte der Zauberer. Gefällt dir meine Stimme nicht? Du weißt ja, was du dagegen tun kannst.
Der Zauberer ließ den Totenkopf auf das Gewirr von Knochen zu seinen Füßen fallen. Du weißt, wie es geht.
Verzweifelt rauchte Phury weiter, zu Tode verängstigt von all dem, was in seinem Kopf war.
Der Joint konnte nicht annähernd den Selbsthass oder die Stimmen betäuben.
Der Zauberer stellte seinen schwarzen Stiefel mit den Klauen auf den gelbäugigen Schädel. Du weißt, was du zu tun hast.
13
Weit oben im Norden in den Adirondacks, tief in einer Höhle im Black Snake State Park, konnte der Vampir, der vor zwei Tagen im Morgengrauen zusammengebrochen war, nicht begreifen, warum er von der Sonne beschienen wurde, ohne in Flammen aufzugehen. Oder war er etwa bereits im Schleier?
Nein … das konnte nicht der Schleier sein. Die Schmerzen und Qualen in seinem Körper und das Kreischen in seinem Kopf waren dem, was er auf Erden empfunden hatte, viel zu ähnlich.
Doch was war mit der Sonne? Er badete in ihrem warmen Schein, und doch war er am Leben.
O Mann, wenn dieser ganze Quatsch mit Vampiren und Tageslicht überhaupt nicht stimmte, dann lag ihr gesamtes Volk völlig daneben.
Aber Moment mal – war er nicht in einer Höhle? Warum also konnten ihn die Strahlen erreichen?
»Iss das«, sagte der Sonnenschein.
Okay, für den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass er tatsächlich noch am Leben sein sollte, halluzinierte er ganz eindeutig. Denn was ihm da vor die Nase gehalten wurde, sah aus wie ein Big Mac, und das war nun wirklich ausgeschlossen.
Außer, er wäre wirklich tot und der Schleier hätte goldene Bögen statt goldener Tore?
»Pass mal auf«, sagte der Sonnenschein, »falls dein Hirn vergessen haben sollte, wie man isst: Mach einfach deinen Schnabel auf. Ich stopf dir das Ding hinein und dann warten wir ab, ob deine Beißerchen noch wissen, was zu tun ist.«
Der Vampir teilte die Lippen, weil der Geruch des Fleischs seinen Magen aufweckte und ihn sabbern ließ wie einen Hund. Als ihm der Hamburger in den Mund geschoben wurde, schalteten seine Kiefer auf Autopilot und klappten fest zusammen.
Er riss einen großen Bissen ab und stöhnte. Einen kurzen Augenblick lang verdrängte der kribbelnde Beifall seiner Geschmacksnerven all seine Leiden, selbst die seelischen. Das Schlucken rang ihm noch ein Wimmern ab.
»Nimm noch mehr«, sagte der Sonnenschein und drückte ihm den Burger wieder gegen die Lippen.
Er aß alles auf. Und ein paar Pommes, die zwar nur lauwarm, aber nichtsdestotrotz ein Gottesgeschenk waren. Dann wurde sein Kopf angehoben und er schlürfte ein bisschen leicht verwässerte Cola.
»Der nächste McD ist dreißig Kilometer weg von hier«, sagte der Sonnenschein, als wollte er das Schweigen durchbrechen. »Deshalb ist das alles nicht mehr wirklich heiß.«
Der Vampir wollte mehr.
»Nur keine Sorge, es gibt noch einen Nachschlag. Mund auf.«
Noch ein Big Mac. Mehr Pommes. Mehr Cola.
»Ich hab getan, was ich konnte, aber du brauchst Blut«,
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