Black Dagger 14 - Blinder König
es so weitergehen soll … kommt es mir vor, als sei der Mann, der ich mal war … tot. «
Marys Stimme kam von direkt vor ihm. » Wrath, ich habe Leute gesehen, die genau das durchgemacht haben, was dir gerade passiert. Meine autistischen Patienten und ihre Eltern mussten lernen, Dinge neu zu betrachten. Aber es war nicht das Ende für sie. Es war kein Tod, nur eine andere Art zu leben. «
Während Mary sprach, streichelte Beth seinen Arm und fuhr mit der Hand den tätowierten Stammbaum an der Innenseite seines Unterarms nach. Die Berührung ließ ihn an die vielen Männer und Frauen denken, die vor ihm gegangen waren, deren Mut durch Herausforderungen von innen und außen geprüft worden war.
Er runzelte die Stirn. Auf einmal schämte er sich für seine Schwäche. Wären seine Eltern noch am Leben gewesen, hätte er nicht gewollt, dass sie ihn so sahen. Und Beth … seine Geliebte, seine Partnerin, seine Shellan, seine Königin sollte ihn auch nicht so erleben.
Wrath, Sohn des Wrath, sollte nicht unter dem Gewicht zusammenbrechen, dass ihm auferlegt war. Er sollte es schultern. So machte es ein Mitglied der Bruderschaft. So machte es ein König. So machte es ein Mann von Wert. Er sollte die Last auf sich nehmen und sich über Schmerz und Angst hinwegsetzen. Er sollte stark sein, nicht nur für die, die er liebte, sondern auch für sich selbst.
Stattdessen purzelte er die Treppe hinunter wie ein Besoffener.
Er räusperte sich. Und musste sich ein zweites Mal räuspern. » Ich … ich muss mit jemandem reden. «
» Okay « , willigte Beth ein. » Wir bringen dir, wen immer du … «
» Nein, ich komme selber hin. Wenn ihr mich entschuldigt. « Er stand auf und machte einen Schritt nach vorne … mitten in den Couchtisch. Einen Fluch unterdrückend rieb er sich das Schienbein und sagte: » Würdet ihr mich einfach hier alleinlassen? Bitte. «
» Darf ich … « Beths Stimme versagte. » Darf ich dir das Gesicht abwischen? «
Geistesabwesend wischte er sich die Wange ab und spürte etwas Feuchtes. Blut. Er blutete noch immer. » Ist schon in Ordnung. Das passt so. «
Es raschelte leise, als die beiden Frauen zur Tür gingen. Dann klickte es sacht, als die Klinke gedrückt wurde.
» Ich liebe dich, Beth « , sagte Wrath schnell.
» Ich dich auch. «
» Es … kommt schon in Ordnung. «
Mit einem zweiten Klicken schloss sich die Tür.
Wrath setzte sich dort, wo er war auf den Boden, weil er sich nicht traute, weiter in der Bibliothek herumzuirren, um einen besseren Platz zu finden. Als er sich zurechtsetzte, bot ihm das knisternde Kaminfeuer eine Orientierung … und dann bemerkte er, dass er den Raum vor seinem geistigen Auge sehen konnte.
Wenn er die Hand nach rechts ausstreckte … jawohl. Er streifte eines der glatten Beine des Couchtisches. Wrath fuhr daran hinauf bis zu der kastenförmigen Unterseite und tastete über die Tischplatte, bis er … genau, auf die Glasuntersetzer stieß, die Fritz dort säuberlich stapelte. Und ein kleines Lederbuch … und den Lampenfuß.
Das war tröstlich. Irgendwie war es ihm vorgekommen, als sei die Welt nicht mehr da, nur weil er sie nicht mehr sah. Tatsächlich war aber alles noch am selben Platz.
Wrath schloss die Augen und sandte eine Bitte aus.
Es dauerte lange, bis er Antwort erhielt, eine lange, lange Zeit, bis man ihn an den Ort kehren ließ, wo er auf hartem Boden stand, neben einem Brunnen, der leise vor sich hin plätscherte. Er hatte sich gefragt, ob er wohl auch hier auf der Anderen Seite blind wäre, und er war es. Dennoch, so wie in der Bibliothek wusste er auch hier, wie es aussah, obwohl er es nicht sehen konnte. Rechts von ihm stand ein Baum voll zwitschernder Vögel und vor ihm, hinter dem sprudelnden Brunnen, befand sich die Loggia mit den Säulen, die zu den Privatgemächern der Jungfrau der Schrift gehörte.
» Wrath, Sohn des Wrath. « Er hatte die Mutter seines Volkes nicht kommen hören, aber sie schwebte auch so leicht dahin, dass ihre schwarzen Roben den Boden praktisch nie berührten. » Aus welchem Grund bist du zu mir gekommen? «
Sie wusste nur zu gut, warum er hier war, und er spielte ihre Spielchen nicht mehr mit. » Ich möchte wissen, ob du mir das angetan hast. «
Die Vögel verstummten, als seien sie von dieser Anmaßung schockiert.
» Dir was angetan? « Ihre Stimme klang wie bei dem Gespräch mit Vishous in der Grotte: distanziert und gleichgültig. Das konnte einen Kerl in Rage bringen, wenn er die eigene Treppe nicht
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