Black Dagger 16 - Mondschwur
direkt vor mir stehst.
»Okay«, sagte Qhuinn. »Dann sehen wir uns unten beim Ersten Mahl.«
»Okay.«
Qhuinn setzte seinen Hintern in Bewegung und ging zur Tür, die in sein Zimmer führte. Als er die Hand auf den kalten Messingknauf legte, erklang seine Stimme laut und deutlich: »Blay.«
»Ja.«
»Mach’s gut.«
Nun war Blays Stimme so rau, dass sie fast brach. »Ja, du auch.«
Denn »Mach’s gut« war das, was Qhuinn stets zu sagen pflegte, wenn er jemandem den Laufpass gab.
Er ging wieder ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Mit mechanischen Bewegungen griff er nach den Dolch-und Pistolenhaltern und schnappte sich dann seine Lederjacke.
Seltsam, er konnte sich kaum daran erinnern, wie er damals seine Jungfräulichkeit verloren hatte. Natürlich erinnerte
er sich an die Frau, aber die Erfahrung hatte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auch nicht die Höhepunkte, die er seither anderen beschert oder selbst gehabt hatte. All das hatte nur eine ganze Menge Spaß bedeutet, eine ganze Menge Schweiß und Gestöhne und eine ganze Menge eroberter Ziele.
Nichts als schnelle Nummern, die leicht wieder in Vergessenheit gerieten.
Auf dem Weg hinunter zur Eingangshalle stellte er jedoch fest, dass er sich für den Rest seines Lebens an Blays erstes Mal erinnern würde. In der letzten Zeit hatten sich die beiden immer weiter voneinander entfernt, aber nun … war das dünne Band, das letzte Zeichen ihrer Verbindung, durchtrennt worden.
Zu dumm, dass die Freiheit auf ihn wie ein Gefängnis wirkte, anstatt wie ein Silberstreif am Horizont.
Xhex stand in Johns Badezimmer unter der Dusche. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ließ sich das heiße Wasser auf Kopf und Schultern prasseln.
Johns Tattoo …
Verdammt nochmal …
Er hatte es im Gedenken an sie machen lassen – ihren Namen in seine Haut ritzen lassen, damit sie immer bei ihm war. Schließlich gab es kaum etwas Dauerhafteres als ein Tattoo. Das war auch der Grund, warum sich die Vampire bei der Vereinigungszeremonie den Namen ihrer Shellan in den Rücken ritzen ließen: Ringe konnten verlorengehen, Dokumente zerrissen, verbrannt oder verlegt werden. Aber seine Epidermis hatte man immer bei sich, wohin man auch ging.
Oh Mann! Xhex hatte sich eigentlich noch nie um schöne Kleider, kunstvolle Frisuren oder perfektes Make-Up
geschert. Für sie war all dieser weibliche Putz immer nur ein Zeichen von Schwäche gewesen. Aber jetzt, in einer ruhigen Minute, stellte sie erstaunt fest, dass sie die Frauen um ihre Seide und ihr Parfüm beneidete. Wie stolz musste es sie machen, dass ihre Männer den Beweis ihrer Vereinigung für den Rest ihres Lebens auf dem Körper trugen.
John wäre ein wunderbarer Hellren …
Himmel! Wenn er sich einmal mit einer Vampirin vereinigte, was würde er dann mit diesem Tattoo anstellen? Den Namen seiner Shellan einfach daruntersetzen?
Richtig. Xhex war keinesfalls völlig aus dem Häuschen, nur weil ihr Namenszug für den Rest seines Lebens auf Johns Schultern prangte. Nein, das war sie wirklich nicht. Denn sonst wäre sie ein egoistisches Weibsstück, nicht wahr?
Aber Halt, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren war ja eigentlich ihr bisheriges Motto gewesen!
Xhex zwang sich, ihre Dusche zu beenden, trocknete sich ab und tauschte die warmfeuchte Luft im Bad mit der kühleren Version im Schlafzimmer.
Kurz hinter dem Türrahmen blieb sie stehen. Das zerwühlte Bett war flüchtig gemacht, die Kissen schnell aufgeschüttelt und die Bettdecke kurz glattgestrichen worden.
Ihre Büßergurte lagen am Fußende des Bettes und waren, im Gegensatz zur Bettdecke, sorgfältig nebeneinander ausgebreitet worden.
Sie ging zu ihnen hinüber und strich mit den Fingerspitzen über die stacheligen Metallbänder. John hatte sie für sie aufbewahrt – und ihr Instinkt verriet ihr, dass er sie auch weiterhin aufgehoben hätte, wenn sie nicht mehr zurückgekommen wäre.
Was für ein höllisches Vermächtnis!
Wenn Xhex die Nacht im Haus verbringen würde, hätte sie ihre Büßergurte bereits angelegt. Stattdessen schlüpfte sie nur in ihre Lederhosen und ein ärmelloses Shirt und schnappte sich dann ihre Lederjacke und die Waffen.
Da sie unter der Dusche viel Zeit vertrödelt und deshalb das Erste Mahl verpasst hatte, ging sie direkt zur Versammlung in Wraths Arbeitszimmer. Alle Brüder sowie John und seine Jungs hatten sich in Wraths hellblaues, französisch eingerichtetes Büro gequetscht. Und alle –
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