Black Dales
ein Frisiertisch gewesen war, und öffnete die oberste Schublade. Eine Reihe von Puderdosen, Kämmen und Spangen konnte er entdecken, Bänder für Haare und Hüte, Perlen für die aufwendigen Ballfrisuren – aber nicht das, wonach er eigentlich suchte. Er schloss die Schublade und öffnete die nächste. Dieses Mal waren es einige kostbare Schmuckkästchen, die er erkannte, in den verschiedensten Größen und Farben, einige eher schlicht mit einfachem Stoff überzogen, andere fast orientalisch verziert.
Bevor er jedoch eines von ihnen öffnete, richtete Nathan sich wieder auf und entzündete eine der Kerzen, die auf dem Schränkchen standen. Zwar reichte das Licht im Zimmer vollkommen aus, um einen Vampir alles problemlos erkennen zu lassen, doch die Kerze schien dem Raum auf sonderbare Art und Weise wieder Leben einzuhauchen – elektrisches Licht gab es in dem gesamten Stockwerk nicht.
Er beugte sich wieder hinunter und fuhr mit den Fingern über den Samt, mit dem einige Kästchen überzogen waren, bis er bei einer dunkelroten Schatulle innehielt, die nicht viel größer war als die Innenseite seiner Hand. Er beugte sich noch ein Stück tiefer und hob das Schmuckkästchen ein wenig an, bevor er den Deckel hochklappte.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht – genau danach hatte er gesucht.
Er ließ den Deckel mit einem leisen Geräusch wieder zufallen und schloss die Schublade, dann wanderte sein Blick zu dem Bild, das links neben den Fenstern hing.
Es war das Bildnis einer jungen, blonden Frau, nicht viel älter als zwanzig, in einem prächtigen, zartgelben Kleid und mit einem kleinen Strauß Rosen in der Hand.
»Danke, Carolin«, flüsterte Nathan und umschloss das Schmuckkästchen etwas fester mit seinen Fingern. Seine Schwester hatte es einst von ihrem Vater bekommen, aber Kate war wohl diejenige, die es nun dringender brauchte.
Nach einem letzten Blick kehrte Nathan dem Zimmer den Rücken und ließ die Tür hinter sich wieder ins Schloss fallen.
Adamantit
Am Abend saß Kate allein vor dem großen Feuer im Kaminzimmer und ließ sich mit geschlossenen Augen das Gesicht wärmen, als Allan die Tür öffnete und sich flüchtig umsah.
»Hast du Nathan gesehen?«, wollte er wissen und trommelte dabei etwas unruhig mit den Fingern auf dem Türrahmen.
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, wo er ist«, meinte sie und sah Allan forschend an. »Alles in Ordnung?«
Er nickte hastig. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden!«
»Wirklich?« Kate sprang auf der Stelle auf und lief zu ihm.
Er nickte ein weiteres Mal und hob ein Buch in die Höhe, das mit seinem Lederband und den verblichenen, silbernen Lettern nur aus der Bibliothek stammen konnte.
»Hier!«, sagte er und tippte auf eine der Seiten, die Kate auf Grund der verschnörkelten Schrift kaum entziffern konnte.
Sie runzelte die Stirn. »Und was ist das?«
»Das habe ich beim ersten Mal gar nicht beachtet!«, erklärte Allan aufgeregt, ohne auf ihre Frage zu achten. »Das hätte uns so viel Suchen erspart!« Er strahlte.
Kate sah ihn noch immer fragend an. »Na schön, aber was ist das?«
»Das ist aus einem der ältesten Bücher aus der Bibliothek! Ein Bericht über einen Vampirjäger aus Schottland, etwa vierhundert Jahre alt, aus dem frühen 17. Jahrhundert. Es beschreibt die Jagd eines gewissen Thomas D. Grayford, eines wohlhabenden Mannes aus dem Norden. Als er von den Gerüchten erfuhr, die damals in der Gegend umgingen – dass sich eine Gruppe Vampire im Hochland verstecken würde, die immer wieder Menschen, vorzugsweise Frauen und Kinder, entführte und tötete –, hat er einige mutige Männer auftreiben können, die zusammen mit ihm den Hinweisen auf das Versteck der Vampire nachgegangen sind.«
»Und wie kann er uns helfen?« Kate hatte ihren Blick auf das Buch gerichtet, von dem sie im Augenblick nur den ledernen Einband erkennen konnte, da Allan es so dicht vor seine Augen hielt.
Auf ihre Frage hin ließ er seine Hände sinken und reichte ihr das Buch herüber. »Hier. Ließ selbst.«
Kates Blick glitt über die verschnörkelte Schrift. Sie war so verworren und alt, dass selbst Allan eine beachtliche Zeit gebraucht haben musste, bis er sie hatte entziffern können.
Sie hob hilflos die Augenbrauen. »Großer Gott! Ich kann zwar lesen, aber nicht dechiffrieren!«
Allan schien einige Sekunden zu brauchen, um zu verstehen, was sie meinte, dann nickte er knapp und begann zu lesen, wobei er die ersten, uninteressanten Zeilen
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