Black Mandel
auch?«, fragte der Mandel.
»Er ist Zugbegleiter bei der norwegischen Bahn«, sagte Vilde mit einem Respekt, als wäre Baalberith Entwicklungshelfer in Äthiopien. Dabei war er Schaffner.
Tomas Hagelin hatte kurz rasiertes schwarzes Haar und eine Designerbrille mit einem blau schimmernden Rand. Er hatte etwas Arabisches an sich und war nicht besonders groß. Er trug ein hellblaues Hemd und eine Strickjacke darüber. Für den Mandel sah er sofort aus wie ein Zahnarzt, aber wenn man vorher schon eine entsprechende Information besitzt, dann ist man schnell in einer Vorverurteilung gefangen. Denn wenn der Mandel einer Gattung Mensch misstraut, dann ist das der Zahnarzt an sich, und das ist dem Dr. Bösl aus seiner Jugend geschuldet, der ihm nie eine Spritze geben wollte, selbst beim tiefsten aller Löcher nicht. Von Höllenqualen spricht der Mandel heute noch. Der Bösl hat mal gesagt: »So schlimme Zähne, wie du hast, wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht, Max. Aber eine Spritze gebe ich dir trotzdem nicht.«
In der Wohnung von Baalberith und dem Zahnarzt sah es aus wie bei einem Ehepaar. Im Grunde alles ordentlich und gut eingerichtet, aber ohne jedes individuelle Gepräge. Es war eine wohnliche Gleichschaltung. Lediglich die eine oder andere vereinzelte Zigarettenschachtel deutete auf Baalberith hin, denn der Zahnarzt wird ja wohl nicht geraucht haben. Von Black Metal nicht die geringste Spur, dachte sich der Mandel. Hagelin führte ihn freundlich in der Wohnung herum, bis er an eine verschlossene Tür kam.
»Da drin ist unser Schlafzimmer, aber das ist gerade nicht aufgeräumt«, sagte der Zahnarzt.
Und jetzt war der Mandel natürlich doch ein bisschen irritiert wegen dem unser , aber der Moment war ungünstig, es sich anmerken zu lassen.
»Wann hast du denn Cristian das letzte Mal gesehen?«, fragte der Mandel den Zahnarzt, der natürlich blitzsaubere Vorderzähne hatte.
»Wie ich zu Vilde schon sagte, am Sonntagmorgen, vor dem Konzert, beim Frühstück. Danach ist Cristian zum Proberaum gefahren.«
»Und wie war die Stimmung?«
»Die Stimmung war den Umständen entsprechend.«
»Was bedeutet das?«, wollte der Mandel wissen.
»Cristian wusste, wie ich es finde, wenn er wieder diesen Wahnsinn veranstaltet. Wenn das Doppelleben wieder losgeht.«
Doppelleben, ja, das sah der Mandel sofort ein, dass zwischen Selbstverstümmelung, gekreuzigten Jungfrauen und der häuslichen Idylle mit dem Zahnarzt als Lebensgefährte ein gewisser Identitätsspagat vonnöten war. Zumal der Svarte Sirkel als streng homophob verschrien war. Plötzlich konnte sich der Mandel auch gut vorstellen, wie Baalberith damals einfach so aus der Szene und der Band abtauchen konnte. Die beste Tarnung für einen bunten Hund ist immer noch die graue Bürgerlichkeit. In der Mietwohnung im Schmuckviertel mit einem Zahnarzt.
»Das war vermutlich dann kein einmaliges Konzert«, sagte der Mandel.
»Schön wär’s«, sagte der Zahnarzt. »Eine Europatournee und ein neues Album sind in Planung.«
Der Mandel betrachtete ein gerahmtes Foto im Flur, auf dem der Zahnarzt mit einem anderen Mann in Fahrradhelm und Radlerhosen in irgendeinem Gebirge herumstand. Der andere Mann trug eine randlose Brille und kurz rasierte Haare.
»Ist das dein Bruder?«, fragte der Mandel, und Vilde nickte.
»Ist die Dark-Reich-Reunion nicht ein Risiko für eure Beschaulichkeit? Die Szene ist ja nicht gerade für ihre Toleranz gegenüber Schwulen bekannt«, sagte der Mandel, der Mann ohne Blatt vorm Mund.
»Das predige ich ihm seit Monaten, aber er kann die alten Geister nicht ruhen lassen. Dieses englische Label hat der Band wohl ziemlich viel Geld für einen neuen Vertrag angeboten.«
»Ach so, ja. Earshot«, sagte der Mandel.
»Genau die«, sagte Hagelin.
»Kennst du die Band Utgang?«, fragte der Mandel.
»Davon habe ich heute zum ersten Mal gehört. Vilde hat mir das grausige Bild gezeigt«, sagte der Zahnarzt.
»Cristian kannte sie also auch nicht? Hat er dir gegenüber nie den Namen erwähnt?«, fragte der Mandel.
»Nie«, sagte der Zahnarzt.
»Ihr müsst weiterhin versuchen, ihn zu erreichen. Sollte sein Telefon irgendwann wieder an sein, kann ich es vielleicht über einen Kollegen in Deutschland orten lassen«, sagte der Mandel, und mit dem Kollegen meinte er offensichtlich den Sascha, der das schon mal für uns bei dieser Wettgeschichte rund um die Hertha geschafft hatte.
»Ich dachte, so was kann nur die Polizei«, sagte Tomas Hagelin.
»Max
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