Black Mandel
es an ein englisches Magazin verkauft hatte. Das war Hochverrat für ihn.«
»Vilde hat gesagt, Skull und Cristian sind befreundet«, sagte ich.
»Ach, was heißt in den Kreisen schon befreundet«, sagte Balrog. »Die haben sich am Sonntag seit Jahren das erste Mal wieder unterhalten.«
»Kennt ihr die Band Utgang?«, fragte ich.
»Nicht persönlich, aber das Album ist gut. Schöne Idee mit dem Cover. Vilde hat uns den Link geschickt«, sagte Abbadon.
»Ihr denkt also auch nicht, dass das echt ist?«, fragte ich.
»Bullshit. Das ist bloß ein PR -Trick. Wahrscheinlich eine gemeinsame Aktion von Cristian und Utgang. Das ist ja für beide Bands eine tolle Werbung, wenn die Presse das aufgreift. Obwohl die heutzutage ja so abgebrüht sind, man weiß gar nicht mehr, womit man noch schockieren soll«, sagte Abbadon.
»Aber hätte euch Cristian nicht gesagt, wenn er mit Utgang so was veranstaltet?«, fragte ich.
»Der sagt oft nichts, wenn ihn etwas reitet. So ist er eben«, sagte Abbadon.
»Ich glaube nicht, dass es ein Trick ist. Das sieht echt aus. Ich glaube, diese Utgang-Typen meinen es ernst. Die haben eine Agenda, eine Wut, die Bands wie uns abhandengekommen ist«, sagte Balrog.
»Moment, du denkst, dass er tot ist?«, fragte ich Balrog ein wenig entsetzt. Wir waren hier grade mal ein paar Tage im Land, und schon redeten die Leute über Mord und Totschlag.
»Vielleicht nicht direkt tot. Aber doch gekreuzigt«, sagte er.
»Das ist kompletter Scheißdreck. Cristian ist garantiert gesund und munter. Der braucht immer wieder mal eine kleine Auszeit«, sagte Abbadon.
»Kennt ihr Utgang persönlich? Wisst ihr, wo sie sich aufhalten?«, fragte ich.
»Niemand kennt die einzelnen Mitglieder. Die sind so was wie der neue Untergrund«, sagte Balrog.
»Auf jeden Fall lassen die sich ganz schön was einfallen«, sagte Abbadon.
»Wo ist eigentlich euer Schlagzeuger?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Zu dem haben wir privat keinen Kontakt«, sagte Abbadon.
»Was macht er so?«, fragte ich.
»Er ist Techno- DJ «, sagte Abbadon.
»Wir müssen zu Aksel Raske alias Therion, um an Utgang ranzukommen. Und am besten heute noch, bevor die Presse und die Polizei wegen dem Kreuzigungsfoto anrücken und wir keinen Zugang mehr zu ihm bekommen«, sagte der Mandel eine Stunde später in unserem neuen Büro im Massakre und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch stieg sofort hoch an die niedrige Decke und verbreitete sich dort wie eine Flechte.
»Es wird schon dunkel, und die Adresse, die der Sascha herausgefunden hat, liegt am Hardangerfjord. Ich hab das mal eingegeben, bis dorthin brauchen wir gute anderthalb Stunden. Und was, wenn dieser Raxe gar nicht zu Hause ist?«, fragte ich.
»Er heißt Raske«, korrigierte der Mandel. »Dann genießen wir die schöne Landschaft.«
»Aber dann ist es dunkel«, sagte ich.
8: THERION
Die Adresse von Aksel Raske lautete »Omastrand, Mundheimsvegen«, worüber ich mich ungefähr die ersten zehn Minuten der Autofahrt amüsierte. Der Mandel teilte meine Begeisterung nicht. Er war erneut der Fahrer und suchte die Musik aus, aber das war mir an dem Tag ganz recht, denn es ist nicht jedermanns Sache, bei solch einer Stockfinsternis auf einer engen Landstraße um einen Fjord herumzufahren. Statt ostdeutschem Kraftblues hörte der Mandel Gott sei Dank das aktuelle Album von Død, Those Who Sought The Fire. Wie alles, was ich bisher von Død kannte, war es höchst repetitiv, von einer geradezu belastenden Monotonie. Draußen war es so dunkel, dass man die Berge um uns herum kaum sehen konnte, nur vereinzelt tauchten helle Flecke aus der Dunkelheit auf, nackte Felsen, ausgeleuchtet vom Lichtkegel des Ford Focus. Ich spürte einen Druck auf den Ohren und fühlte mich in eine groteske Einsamkeit hineinrutschen, allein inmitten des riesigen Hardangerfjords, begleitet nur von einem schweigsamen Mandel und dem weit entfernten Geschrei von Aksel Raske zu dieser nagend gleichförmigen Musik. Das Navigationsgerät zeigte eine einzige Straße, links daneben eine leere Fläche und rechts daneben das nachtschwarze Wasser des Fjords, so gesehen auch eine leere Fläche. Irgendwann fing ein Wald neben uns an und hörte nicht mehr auf. Mundheimsvegen, soweit man das in dieser Finsternis erkennen konnte, war nur eine Ansammlung von kleinen Holzhäusern am Hang mit einer winzigen Bucht und zwei kleinen Fischerbooten. In dieser Bucht lag auch besagter Omastrand, eine schmale ungeteerte Uferstraße. Am
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