Black Mandel
im Kopf haben, um ihre antichristliche Botschaft zu verbreiten, aber Baalberith haben sie nicht gekidnappt. Doch für Raske würde er seine Hand nicht ins Feuer legen, sagt er.«
»Das würde ich auch nicht. Und welchen Beweis gibt es, dass Cristian am letzten Freitag tatsächlich bei Utgang war?«, fragte Aasen.
»Vilde hat seinen Mitbewohner angerufen, der hat das Navigationsgerät des gemeinsamen Wagens kontrolliert und eine Adresse im Hardangerfjord gefunden, die an dem Tag eingegeben wurde. Ursprünglich hatte Cristian behauptet, er müsse nachmittags noch arbeiten, angeblich für einen Kollegen einspringen«, sagte ich.
Zum ersten Mal, seit wir in Norwegen waren, fühlte ich mich nützlich. Ich war hier der Detektiv, der die Fakten präsentierte. Ich war im Zentrum der Ermittlungen.
»Du sagtest auch was von Neuigkeiten zum Thema Raske?«, fragte Aasen nach.
»Die Neuigkeiten sind, dass er verhaftet wurde«, sagte ich.
»Weswegen?«, fragte Aasen.
»Wegen dem Brandanschlag auf dein Haus.«
»Dann wandert er hoffentlich gleich wieder in den Bau«, sagte Aasen.
»Vierundzwanzig Stunden, länger können sie ihn nicht festhalten, wenn sie keine Beweise haben, oder?«, sagte ich.
»Das geht bis zu drei Tage mit dem Festhalten. Und wenn Verdunklungsgefahr besteht, dann auch gerne noch länger. Nirgends wird so gerne und lange festgehalten wie bei uns«, sagte Aasen.
»Wie ist die Polizei überhaupt auf Raske gekommen?«, fragte ich in die Runde.
»Ich habe der Polizei sofort nach dem Anschlag gesagt, dass Raske mir gedroht hat, dass er sich eines Tages dafür rächen würde, dass ich damals vor Gericht nicht zu seinen Gunsten ausgesagt habe. Außerdem habe ich gesagt, die Art von Flaschen, wie sie auf mein Haus geworfen wurden, ist seine Spezialität. Ich denke, da sind sie gleich losgefahren«, sagte Aasen.
»Dann hast du Raske verhaften lassen?«, sagte ich.
»Ich bin nicht der Polizeichef«, sagte Aasen und lächelte.
»Das ist aber gar nicht gut«, sagte ich.
»Warum nicht?«, fragte Aasen.
»Ich hätte Raske gerne noch weiter auf den Zahn gefühlt wegen Cristians Verschwinden.«
»Aber das kann doch jetzt die Polizei tun«, sagte Aasen.
»Wir haben der Polizei nicht gesagt, dass mein Bruder verschwunden ist«, sagte Vilde.
»Ach so?«, sagte Aasen und trommelte kaum hörbar mit den Fingerkuppen auf der Couchlehne herum. Schlagzeugerkrankheit, dieses ewige Trommeln. Ist nicht zwangsweise mit Nervosität gleichzusetzen, hat der Benno Hütter, mein ehemaliger Drummer, immer gesagt. Kann auch eine simple Fingerübung sein, um in Form zu bleiben. Mich hat es dennoch nervös gemacht, das ewige Fingergetrommel.
»Ich gehe jetzt«, sagte Aasen. »Kommst du mit, Sigi?«
»Nein, ich muss noch was arbeiten«, log ich.
Als er weg war, rutschte Vilde auf meine Seite der Couch herüber, und wir küssten uns. Ich trug immer noch keine Unterhose.
»Ist das eigentlich geheim, was wir hier machen?«, fragte ich.
»Streng geheim«, sagte Vilde und setzte zum nächsten Kuss an.
Und so gern ich den noch mitgenommen hätte, plötzlich fiel mir etwas ein, und ich hielt Vilde sanft an der Schulter fest. Ich Idiot, ich Idiot, sag ich mir im Nachhinein immer und immer wieder.
»Was ist denn?«, fragte sie.
»Mir ist etwas eingefallen«, sagte ich.
»Was ist dir eingefallen?«
»Ist dein Bruder seinem Freund treu?«, fragte ich.
»Ich denke schon, er hat nie etwas erzählt.«
»Wie war das, als er mit Tomas zusammengekommen ist? War das etwas Offizielles?«, fragte ich, und Vilde schien zu überlegen, was sie antworten sollte.
»Nein, nicht direkt. Also eigentlich überhaupt nicht«, lächelte sie etwas zwanghaft. »Cristian war eigentlich noch mit seiner Freundin zusammen, sie war Handballerin, hat in der ersten Liga gespielt.«
Ich hatte auch mal eine Handballerin als Freundin, als ich sechzehn war, die hat allerdings nicht in der ersten Liga gespielt. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt in irgendeiner Liga gespielt hat. Jedenfalls nicht in der Schönheitsliga.
»Und nebenbei hatte er schon die Affäre mit Tomas?«, fragte ich.
»Ja, leider. Er hat auch vorher schon schwule Erfahrungen neben seiner Beziehung gemacht. Das war ein längerer Prozess.«
»Jetzt sei mir nicht böse, Vilde, aber dein Bruder scheint schon eine ganze Weile immer wieder zwischen verschiedenen Leben hin und her gesprungen zu sein. Vom Untergrund zum Bürgertum, vom Heterosexuellen zum Homosexuellen, vom Sänger zum Schaffner.
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