Black Mandel
Hagelin lächelte.
»Nach zwei, drei Wochen hat er es mir erzählt.«
»Und wie fanden Sie das?«
»Natürlich ganz furchtbar. Dass er mit Aksel Raske befreundet gewesen ist, dem Staatsfeind Nummer eins, das war das Schlimmste. Ich wollte das Verhältnis sofort wieder beenden.«
»Aber?«, sagte ich und fühlte mich ein bisschen schuldig in meinem Død-Pullover.
»Aber er hat sich letztlich für ein anderes Leben entschieden.«
»Das war die Zeit, als Dark Reich sich auflösten und keiner mehr etwas von Baalberith gehört hat, richtig?«
»Richtig«, sagte Hagelin und klappte den Laptop zu.
»Dann muss dieser Rückfall in die alte Kommune ja ein Riesenärgernis für Sie sein«, sagte ich.
»Es ist in der Tat ein schwieriges Thema in unserer Beziehung, aber es geht mir heute nicht mehr um Sein oder Nichtsein. Es geht nicht mehr nur ums Prinzip. Ich habe gelernt, dass man nur dann eine Beziehung führen kann, wenn jeder seine eigenen Entscheidungen trifft, wenn theoretisch beide Partner genauso weiterleben könnten wie vor der Beziehung. Auch wenn sie es nicht tun, aber die Möglichkeit muss bestehen«, sagte Hagelin, und ich dachte, sag das mal Maria.
»Deswegen haben Sie das mit der Dark-Reich-Reunion letztlich geschluckt?«
»Ich habe es zumindest akzeptiert«, sagte Hagelin.
»Glauben Sie, dass Herr Hallberg Ihnen immer treu gewesen ist?«
»Das glaube ich, ja. Aber selbst wenn nicht, dann wäre es nicht das Ende der Welt.«
»Soso«, sagte ich.
»Die physische Treue ist nicht das Entscheidende in einer Beziehung, die sich über mehrere Jahre erstreckt.«
Und auch das hätte er mal Maria erzählen sollen.
»Die Loyalität und ein halbwegs harmonischer Alltag geben letztlich den Ausschlag«, sagte Hagelin. Ich hätte ihn am liebsten umarmt. Aber nur kurz.
»Aber jemand, der immer schon ein Doppelleben geführt hat, neigt so jemand nicht dazu, Geheimnisse zu haben? Das jüngste Beispiel ist doch das heimliche Fotoshooting mit Utgang«, wollte ich wissen.
»Das mag tatsächlich so sein, aber es gibt eine stärkere Verbindung zwischen mir und Cristian als die alten Seilschaften des Svarte Sirkel. Er würde Dark Reich nie mir vorziehen. Falls Sie also darauf hinauswollen, dass er sich einfach nur aus dem Staub gemacht hat, kann ich Ihnen versichern: Das hat er unter Garantie nicht. Irgendetwas stimmt nicht, und ich habe ein schlechtes Gefühl, wenn ich morgens aufwache, und er ist immer noch nicht da. Und das Gefühl wird mit jedem Tag schlechter.«
»Das geht mir ähnlich«, sagte ich.
Hagelin hatte die Hände gefaltet und in den Schoß gelegt. Er bewegte sich nicht, als hätte man ihn mit einer Fernbedienung angehalten. Noch nicht einmal beim Atmen konnte ich ihn ertappen.
»Wenn Sie eine Anekdote erzählen müssten, die in wenigen Sätzen auf den Punkt bringt, was Cristian Hallberg für ein Mensch ist … «
»Sie meinen eine typische Begebenheit, die seine verschiedenen Facetten irgendwie unter einen Hut bringt?«, fragte Hagelin, und nur seine Augen und sein Mund bewegten sich.
»So in etwa.«
»Es ist nicht so kompliziert, wie Sie denken. Und ich kann Ihnen tatsächlich eine Geschichte von ihm erzählen, wenn Sie noch ein paar Minuten Zeit haben«, sagte Hagelin und legte den Kopf in den Nacken.
»Ein bisschen Zeit hab ich noch«, sagte ich, aber ich hoffte, dass kein Schwank aus dem Ersten Weltkrieg draus wurde.
»Die folgende Geschichte hat er mir selbst erzählt, ich finde, sie passt ganz gut«, fing Hagelin an, und irgendwie hatte das jetzt etwas Talkshowmäßiges, wenn sich Wegbegleiter an eine verstorbene Showgröße erinnern.
»Als Cristian ungefähr vierzehn war, geriet die Baufirma seines Vaters durch die Zahlungsunfähigkeit eines Großkunden an den Rand der Insolvenz. Die Hallbergs mussten ihr Haus in Fana aufgeben und die meisten Mitarbeiter entlassen. Über ein Jahr lang musste rigoros gespart werden. Cristian wurde vorübergehend aus der Privatschule genommen. Auf der öffentlichen Schule sackte er dann sofort in seinen Leistungen ab. Es war wohl eher ein Unfall, dass seine Mutter zu der Zeit mit Vilde schwanger wurde. Es war keine leichte Schwangerschaft für die Mutter, schon Monate vor der Geburt war sie bettlägrig. Der Vater war bereits seit längerer Zeit ein Säufer und kümmerte sich nicht um seine schwangere Frau und schon gar nicht um seinen Sohn. Obwohl Cristian unter der schlechten Stimmung litt, lag ihm viel daran, dass es seiner Mutter gut ging. Er saß an
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