Black Mandel
Und jetzt verschwindet er spurlos für ein paar Tage und sagt niemandem Bescheid? Und vorher fährt er ohne ein Wort zu Utgang hinaus in den Fjord?«
»Worauf willst du hinaus?« Vilde sah jetzt misstrauisch aus.
»Ich glaube, du weißt selbst nicht, ob die Verhältnisse im Leben deines Bruders so klar sind. Deshalb ist es vorläufig auch besser, die Polizei nicht zu informieren, oder?«
»Ich verstehe dich immer noch nicht«, sagte Vilde, und man konnte ihr die aufziehende Unrast an den sich rötenden Pausbacken ansehen.
»Vielleicht ist gar nicht der Svarte Sirkel schuld. Was ist mit seiner Beziehung? Wir haben uns überhaupt nicht mit seiner Beziehung, mit seinem Privatleben befasst. Sein Partner Tomas hat ausgesagt, dass er verschwunden ist, und damit haben wir uns zufriedengegeben. Vielleicht hat sein Verschwinden nicht das Geringste mit dem Svarte Sirkel zu tun. Vielleicht liegt der Grund woanders.«
»Und wo?«, fragte Vilde.
»Was ist, wenn Cristian eine Affäre hatte, und der Zahnarzt ist ihm draufgekommen? Vielleicht ist Cristian im Streit geflüchtet, vielleicht zu seinem neuen Freund. Oder es ist was Schlimmeres passiert.«
»Was meinst du mit Schlimmeres?« Vildes Blick war jetzt ein scharfes Schwert.
»Eifersucht ist eine der häufigsten Mordursachen überhaupt. Statistisch belegt.«
»Unsinn, Tomas ist ein lieber Kerl. Und Cristian hat sich geändert. Er geht nicht fremd, und auch sonst lässt er niemanden im Stich. Die beiden verstehen sich gut.«
»Es tut mir ja leid, wenn ich das infrage gestellt habe, aber schau, auch du knutschst mit mir herum, obwohl du eigentlich mit dem Mandel was hast. Und du bist ja auch die grundgütigste Person, die man sich vorstellen kann.«
»Du bist ein Arsch, Sigi. Ein richtiger Arsch«, sagte Vilde.
You’re a jerk, Sigi. A real jerk.
Ich muss jetzt wohl nicht sagen, wie ich mir umgehend selbst eine hätte reinhauen können für die Taktlosigkeit. Es ist mir nur im Sinne der Argumentation so herausgerutscht. Der Mandel hätte dasselbe sagen können und wäre sicher ungestraft davongekommen.
»Es tut mir leid, das kam falsch rüber. Ich wollte nur sagen, dass niemand vollkommen ist. Tut mir wirklich leid. Lass uns bitte trotzdem noch mal mit Tomas reden.«
»Du kannst alleine hingehen, ich geb dir die Adresse«, sagte Vilde entschieden, und damit war der einzige Lichtblick hier in Bergen erloschen. Das war’s mit Vilde. Dabei hatte es gerade erst angefangen.
»Ich komme gleich wieder und sag dir, was ich herausgefunden habe«, sagte ich.
»Lass dir ruhig Zeit«, sagte Vilde.
Draußen wehte ein kalter Wind, als ich die paar Meter zum Massakre ging, wo immer noch mein Computer im geheimen Hinterzimmer stand. Skull war gerade dabei, den Laden zu schließen. Bedächtig legte er eine Folie über die Plattenkisten, als würde er sie zudecken und ins Bett bringen. Dann machte er mir einen Kaffee. Ich prüfte meine E-Mails, und außer der Ankündigung einer erneuten Trennung – Absender natürlich Maria – und der Stromrechnung fürs Büro war da nichts. Im Internet sah ich, wie kurz der Weg vom Massakre ins Hafenviertel und zu Tomas Hagelin eigentlich war, und obwohl es regnete, machte ich mich nach dem Kaffee zu Fuß auf den Weg. Eigentlich hatte ich mich schon fast an den Regen gewöhnt, nur die Kälte machte mich noch mürbe, erst recht, nachdem ich heute bereits in den Fjord gefallen war, weshalb ich auch immer noch die Tarnhose und den Pullover aus Raskes Kleiderschrank trug. Und immer noch keine Unterhose. Going commando . Meine nassen Kleidungsstücke waren in Vildes Trockner, und ich hatte von Skull eine seiner schwarzen Regenjacken mit dem kruden Massakre-Logo ausgeliehen, bei dem das M aus vier blutigen Schwertern bestand, von denen zwei umgedreht waren. Für die Spielzeugstadt hatte ich heute nichts übrig. Ich marschierte daher zügig durch Bryggen, bis ich an die Anhöhe kam, wo die gemeinsame Wohnung von Baalberith und seinem Schatz lag. Ich klingelte unten, und eine Gegensprechanlage sagte: »Hagelin.«
»Singer. Entschuldigung, wenn ich so spät noch störe, aber ich komme im Auftrag von Vilde Hallberg. Ich bin der andere Ermittler«, sagte ich.
Mit seinen kurz rasierten naturschwarzen Haaren und der Designerbrille kam er mir genauso fremdartig vor wie ich ihm vermutlich mit der Tarnhose und der Massakre-Jacke. Andererseits teilte er sein Bett mit jemandem, der Nietenarmbänder bis zur Zimmerdecke trug, fiel mir ein.
»Hallo. Ich bin
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