Black Monday
Straßen in einen Hindernisparcours verwandelt. In seinen Satteltaschen hat er Straßenkarten von Washington, D.C. die er, um falsche Spuren zu legen, später zurücklassen wird, ein Armeekampfmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge, Einbruchswerkzeug und ein Päckchen Chuckles, seine Lieblingssüßigkeit. Die Glock-17 mit zehn Patronen hat er auf dem Rücken im Gürtel stecken, unter seinem dunkelblauen Anorak.
Das Glück ist auf der Seite desjenigen, der gut vorbereitet ist, sagt sein Mentor immer. Deshalb hat er Clayton angewiesen, 200 Liter Benzin in seiner Garage zu horten.
Das Chaos um ihn herum erregt ihn, und die Fahrt vorbei an den Wracks lässt seinen Puls schneller schlagen; liegengebliebene Abschleppwagen, verwirrte Polizisten, benommene Bürger, die unter Missachtung der nur unzulänglich bekanntgegebenen nächtlichen Ausgangssperre durch die Straßen irren. Das gleichmäßige Summen der BMW und der sanft laufende Motor sind ebenso wie Claytons heutiger Auftrag ein Anschlag auf die Empfindlichkeiten des Feindes.
Auf seinem Weg vorbei an der American University sieht er zahlreiche Studenten, die einzeln, in Gruppen oder paarweise vom Campus in das grüne Viertel strömen, um Zeugen der Geschichte zu werden, ohne zu ahnen, dass der behelmte Motorradfahrer deren Vollstrecker ist.
Stundenlang ist Clayton in der Stadt herumgefahren, um später über ein verschlüsseltes Handy einen Augenzeugenbericht durchgeben zu können. Kapitol und Weißes Haus sind von einem Schutzkordon aus Polizisten und Soldaten umgeben. In den Botschaften auf der Massachusetts Avenue sind die Fenster erleuchtet. Muslime sind zu Fuß unterwegs zum Gebet in der großen weißen Moschee weiter draußen am Rock Creek Parkway, wohl wissend, dass man die Anschläge von heute Abend dem Islam anlasten wird.
Clayton war auch am Ingomar Place, um sich das Flugzeugwrack anzusehen. Der Brand war bereits gelöscht. Polizisten – diejenigen, die heute Nacht zum Dienst erscheinen konnten – standen hinter gelbem Absperrband, um weiteren Schaden zu verhindern, als könnten sie ein Verbrechen aufhalten, das längst geschehen war. Über der Straße hing der Gestank nach Treibstoff und Holzkohle und der sehr vertraute Geruch nach verbranntem Fleisch. Vor seinen Augen trugen Sanitäter eine zugedeckte Leiche von einer Wiese.
In dem kleinen Ort Chevy Chase, an der Grenze zu Maryland, biegt Clayton in ein Stadtviertel mit viel Grün ein, wo die von Eichen gesäumten Straßen nach amerikanischen Präsidenten benannt sind: Roosevelt Avenue, Truman Place, Coolidge Way und Reagan Lane. Die Häuser liegen im Dunkeln. Fahrzeuge stehen in den Einfahrten, wo sie vorläufig bleiben werden. Von irgendwoher ist Countrymusic zu hören. Das Haus, das er ansteuert und das er vor zwei Nächten ausgekundschaftet hat, liegt auf einem Grundstück mit dichtem Baumbestand. Es ist ein zweistöckiges Landhaus mit einem Flachanbau, einer mit einem Fliegengitter eingefassten Veranda und einer niedlichen Uncle-Sam-Figur – einem windbetriebenen Spielzeug – auf dem Briefkasten. Die Vorderseite des Hauses ist zur Straße hin durch Büsche gegen Blicke geschützt.
Auf dem Briefkasten steht: FAMILIE NILES, BILL, MARY, MIKE, STEVIE UND ALICE. Soweit Clayton informiert ist, leitet Bill Niles eine Sondereinheit des FBI, die Aktivitäten islamistischer Extremisten in den USA aufspüren soll. Gelegentlich ist er im Fernsehen zu sehen. Good Morning America. Larry King Five. Fox News . CNN .
Clayton stellt die BMW in einiger Entfernung hinter der Thurgood-Marshall-Grundschule ab. Er durchquert ein paar Gärten, bis er das Niles-Grundstück erreicht hat. Einen Moment lang hält er inne, alle Sinne geschärft. Er hört einen Windstoß. Dann ein Eichhörnchen, das sich flink fortbewegt. Menschen hört er keine. Auch keinen Verkehr.
Heute Nacht sind keine normalen Polizeistreifen unterwegs, nur Katastrophenschutzeinheiten. Und alle Autos, die jetzt noch fahren, werden bald tanken müssen.
Was bedeutet, dass bald die nächsten den Geist aufgeben.
Beim Durchqueren des Gartens hinterlässt Clayton in der weichen Erde einen deutlichen Abdruck eines seiner Reeboks Größe elf. In Wirklichkeit trägt er Schuhgröße neun.
Einen weiteren Teilabdruck tritt er in den Boden hinter den Rosenbüschen.
Er streift sich die Latexhandschuhe über.
Im Haus gibt es weder einen Hund noch eine Alarmanlage, wie er herausgefunden hat.
Durch das Schlafzimmerfenster der kleinen Tochter
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