Black Monday
Nachts gelungen war, sich Zugang zu dem verriegelten Bereich im hinteren Teil einer Lagerhalle zu verschaffen. Er traute seinen Augen nicht, als er sah, was diese Idioten dort für den Versand in den Sudan, nach Indonesien und Zimbabwe gehortet hatten.
Bestechungsgüter! Was sonst! Für örtliche Funktionäre. Armbanduhren, Parfüms, Zigarren, Champagner. Selbst ein paar russische AK-47 fanden sich unter den Kostbarkeiten. Nicht zu fassen! Als mildtätige Gabe! Oder vielleicht war das Ganze auch nur eine Tarnung für illegale Waffenlieferungen.
Zeit, die richtigen Leute anzuheuern, dachte er.
Kurz darauf waren die beiden ehrlichen Wachleute, die für ihn arbeiteten, verschwunden und durch zwei Jungs ersetzt, die Gordon auf der Straße aufgelesen hatte. Lester Gish und Basil Prue waren arme Würstchen, die ihm gerne glaubten, dass sie etwas Besseres verdient hatten, als sich immer nur ausnutzen zu lassen. Typen, die ihm die Füße küssten und mit Vergnügen klauten wie die Raben.
Jetzt, wo die Polizeipräsenz in Washington kaum noch der Rede wert ist, ist Gordons gewalttätige Seite wiedererwacht. Der erste Tote war ein Unfall, redet er sich ein. Der alte Mann war früher als erwartet vom Tauschmarkt zurückgekommen, als Gordon und seine Freunde gerade sein Haus plünderten. Als der Alte anfing zu schreien, hat Gordon ihn mit einem Schüreisen niedergeschlagen. Der Mann hatte ihre Gesichter gesehen.
Selber schuld, denkt Gordon. Warum kommt er auch so früh nach Hause?
Der nächste Fall hatte sich ergeben, als eine Bande pubertärer Heimbewohner – Metro-Wilde, wie sie in den Blogs genannt werden – genau zu dem Zeitpunkt in einen Elektroladen einbrachen, in dem Gordon und seine Jungs gerade dabei waren, die Überwachungskameras auszuschalten. Die Schießerei war in wenigen Minuten vorbei. Noch heute ergötzen sich die drei Männer an der Erinnerung, wenn sie betrunken sind. »War das eine Gaudi! Wisst ihr noch, wie ich den Großen erwischt hab?«
Heute Abend brennt ein schönes Feuerchen im Kamin. Die Oase war mal ein Luxusapartmenthaus, und alle Wohnungen sind mit einem offenen Kamin ausgestattet. In dieser Wohnung gab es sogar eine komplette Bibliothek, und die Flammen, die die Bücher verschlingen – Die drei Musketiere, zum Beispiel, und Die Pest –, beleuchten an den Wänden aufgestapelte Kartons, die Gordon und seine Kumpels, nachdem die Ölmikrobe aufgetaucht ist, aus den Lagerhallen abtransportiert haben, bis der Tank des Landrovers von Three Faiths Charities leer war.
Wenn wir bloß Heizöl hätten. Meine Leute werden mir nur treu bleiben, wenn ich dafür sorge, dass sie es warm haben. Ich muss unbedingt Heizöl auftreiben!
Das klingelnde Handy reißt Gordon aus seinen Gedanken. Basil, der in der Eingangshalle Wache schiebt, meldet, dass Gail Hansen aus der Marion Street sofort mit Gordon sprechen will. Sie ist eine von mehreren Frauen, die hin und wieder heimlich herkommen, weil sie Lebensmittel oder Medikamente für einen herzkranken Ehemann oder Babynahrung oder irgendwas für ihre persönliche Eitelkeit brauchen.
Sie ist alt. Aber ich könnte mir einen blasen lassen.
Gordon gefällt sich in seinem postapokalyptischen Schick. Die aus einem geplünderten Spendenfonds stammende Cordhose – ein Modell aus dem letzten Jahr – ist von Barneys. Ein gespendetes Flanellhemd Marke Calvin Klein. Timberlandschuhe und ein dicker Pullover, erst vor wenigen Wochen für Erdbebenopfer in der Türkei gespendet.
Auf dem Weg nach unten klingelt er an der Tür zu Apartment 6C, um sich zu vergewissern, dass die alten Roths genug zu essen haben. Mike Roth ist ein ehemaliger Polizist, der Gordon immer respektvoll behandelt hat. Die Studenten aus 5B sind verschwunden – zurück zu Mommy und Daddy geflüchtet. Basil und Lester teilen sich jetzt das Apartment.
Er geht zu Fuß nach unten, anstatt mit dem Aufzug zu fahren, aus Angst vor einem Stromausfall. Und um Gail noch ein bisschen schmoren zu lassen. In Apartment 3D wohnt Dr. Raskowitsch, denn jedes Gebäude braucht einen Arzt. Gordon schenkt ihm eine Flasche Pinot Noir. Todd und Jeffrey, die beiden schwulen Innenarchitekten aus 3C, hat Gordon rausgeworfen und stattdessen Jovina und Ike Mimeaux dort einquartiert, beide früher Chauffeure beim Außenministerium und bei Beutezügen wüste Draufgänger. Sie haben in der St.-Paul's-Kirche Hausverbot, weil sie andere Flüchtlinge verprügelt und zuvor ihre Essensration gestohlen haben.
Morgen schicke ich sie
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